Menschen

«Man nennt mich auch Rottweiler»

Für den harten Job an der Strasse braucht es laut Peter Casotti Biss und Humor.

Lärm, Schmutz und Staub. Bei der Sanierung der St.Galler Stadtautobahn arbeiten die Bauprofis unter harten Bedingungen – und das Tag und Nacht. Kein Job für Tussis,
sagt einer, der es wissen muss: Peter Casotti. Er arbeitet seit Jahrzehnten auf Autobahnbaustellen und steht mit seinem Team vor Ort im Einsatz.

Mit 80 Stundenkilometern brausen Au­tos und Lastwagen vorbei, die Bau­maschinen dröhnen und machen Staub. Zudem ist es heiss, die Sonne brennt. Willkommen auf dem Arbeitsplatz von Peter Casotti. Dem 55-­jährigen ist es wohl hier: «Ha geng ä chli Schtoub uf dr Lunge, chli Dräck uf dr Zunge», zitiert er den Büezer­-Sänger Gölä und lacht: «Hitze und Regen haben Vor-­ und Nach­teile. Bei Regen hat es weniger Staub. Dafür bist du nass.» Casotti arbeitet seit über 30 Jahren auf Autobahnbaustellen und weiss aus Erfahrung, aus welchem Holz jemand geschnitzt sein muss, damit er es an der Autobahn aushält. «Es braucht robuste, belastbare Leute mit Biss. Jammertaschen brauchen wir nicht. Die machen es nicht lange hier.»

Gern Chef auf dem Platz

Peter Casotti ist Vorgesetzter von 15 Mitarbeitenden. Maurer, Bauarbeiter, Vorarbeiter. Seine Crew ist immer ge­meinsam im Einsatz und eine einge­schworene Truppe. «Jeder weiss, wie der andere tickt», sagt Casotti und erklärt: «Ich bin mit Freude Chef. Das liegt mir. Ich gehe gern voran – ich rede Klartext und poliere die Leute auch mal.» Seine direkte Art kommt nicht überall gut an, das ist ihm bewusst: «Man nennt mich auch Rottweiler.» Dafür weiss man bei Casotti, woran man ist. «Ich sage jemandem halt ins Gesicht, wenn ich ihn einen Tubel finde, und gehe nicht ins Büro und beschwere mich per E-­Mail mit CC an alle.» Der Chefpolier hat auch eine feine Seite. Casottis Mitarbeiter schätzen es, wie sich ihr Chef um sie kümmert und immer ein offenes Ohr hat, auch bei privaten Sorgen. Nach lan­gen Jahren bei der Strabag wechselte Casotti im letzten Jahr zu Implenia. Das ganze Team folgte ihm.

«Unsere Aufgabe ist viel komplexer, als sie aussieht. Zum einen technisch, zum anderen logistisch.»

Komplexe Unterhaltsarbeiten

Casottis Team ist bei der Sanierung der St.Galler Stadtautobahn im Teil West zuständig für das Sitterviadukt, die Brü­cke Schiessplatz und die Rampe/Aus­fahrt Schoren­/Kreuzbleiche. Es geht darum, dass Randleitmauern und die Oberflächen der Brückenkonstruktion saniert werden. Zum Teil ist beim Beton Wasser eingedrungen, Rost droht. Ein Grund dafür ist das Salzen der Fahr­bahn im Winter. «Unsere Arbeit ist nötig und wichtig. Wenn Eisen einmal rostet, zieht sich der Rost immer weiter und schadet dem Bauwerk – wie Karies beim Zahn», erklärt der Bauprofi Casotti. «Wenn man jahrelang nichts macht, dann hat man den gleichen Fall wie bei der eingebrochenen Morandi­-Brücke in Genua. Das wollen wir nicht. Der Fall zeigt, wie wichtig der Unterhalt ist.» Die Arbeiten an der alten Stadtautobahn sind aufwendig. «Unsere Aufgabe ist viel komplexer, als sie aussieht. Zum einen technisch, zum anderen logis­tisch. Zum Beispiel können wir die Bau­stelle nur von einer Richtung versorgen, und die Fahrbahn ist nicht immer bereit für LKW-­Transporte. Ein Polier denkt deshalb immer zwei Wochen voraus.»

Jahrzehntelange Erfahrung

Sanierungen und Instandstellungen von Autobahnen sind das Fachgebiet von Peter Casotti. Nach der Maurerlehre bildete er sich zum Vorarbeiter aus und später zum Polier. Seine Arbeit führte ihn weit herum in der Schweiz: «Ich fol­ge den Baustellen.» Die Tage sind im­mer lang, auch in St.Gallen. Casotti und sein Team wohnen im Raum Zürich. Der Polier fährt frühmorgens los und holt einen Teil des Teams mit seinem Bus ab. Gemeinsam fahren sie in die Ostschweiz auf die Baustelle. Oft trifft sich Casotti dort schon um halb sieben mit seinen Polierkollegen zur Bespre­chung. Znüni gibts im Auto auf der Bau­ stelle. Zmittag meist im Baucontainer. Oft von zu Hause Mitgebrachtes oder auch mal etwas vom Grill. Um 17 Uhr fährt die Truppe wieder zurück nach Zürich. Wenn Nachtarbeit angesagt ist, arbeiten Casotti und seine Männer von 19 Uhr durch bis um 6 Uhr in der Früh. «Dann fahre ich nach Hause und pfuuse bis am Mittag. Nach zwei, drei Wochen hängt das schon an. Da merke ich das Alter.»

Der Polier folgt seit 30 Jahren den Autobahnbaustellen.

Familienmensch und Amerikafan

Der Bauprofi lebt mit seiner Partnerin in Dietlikon ZH. Seine Frau ist vor zwölf Jahren gestorben. Peter Casotti wurde schon jung Vater und ist bereits jetzt doppelter Grossvater. Am Wochenende verbringt der Zürcher gern Zeit mit sei­nen zwei Enkeln, pflegt seinen Garten und sein anderes grosses Hobby: Ford Mustangs. Er besitzt zwei Oldtimermo­delle der amerikanischen Automobil­-Ikone und liebt es, in der eigenen Werk­ statt an ihnen zu schrauben und mit den Boliden Ausflüge in der Region zu machen. In den Ferien fliegt er am liebs­ten in die USA. Casotti bereiste das Land schon 20 Mal und war in jedem Bundesstaat, ausser in Hawaii und Alas­ka. Nun plant Peter Casotti eine weitere Reise in sein Lieblingsland. Geplant ist die Fahrt «mit me grosse Charre» von Boston an der Ostküste bis nach Florida im Süden. Casotti freut sich und ver­spricht: «In den Ferien denke ich null an die Baustelle.»

Mega-Sanierung

Die Sanierung der 40-jährigen St.Galler Stadtautobahn dauert mehrere Jahre. Erneuert werden 4 Autobahnanschlüsse, 4 Tunnel, 4 Galerien, 12 Brücken und 17 Über- und Unterführungen. Es wird mit Kosten in der Höhe von 550 Millionen Franken gerechnet.

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