Mobilität

15’000 Tonnen Asphalt für den Halbstundentakt

Ab Dezember 2024 werden die Fernverkehrszüge durchs St.Galler Rheintal im Halbstundentakt verkehren. Damit dies klappt, mussten sich die Passagiere zwischen Buchs und Altstätten acht Monate lang mit Ersatzbussen begnügen. In dieser Zeit baute die beauftragte ARGE Plus den ersten Doppelspurabschnitt. Was wenige wissen, beim Gleisbau aber selbstverständlich ist: Es braucht auch dafür viel Asphalt.

Hitzeflimmern im Rheintal: 32 Grad im Schatten. Sogar die Vögel machen Siesta. Nicht so die Arbeiter auf der Baustelle für die neue Doppelspur der SBB. Hier wird trotz Julihitze in der prallen Sonne gearbeitet. Das Walzenspiel ist in vollem Gang, die Asphalttransporter wechseln sich ab und liefern Belag aus dem MOAG-Mischwerk in Sennwald. «Es fühlt sich gut an, auf der Baustelle zu sein und zu sehen, wie das Projekt realisiert wird, das so lange nur im Kopf und auf Plänen existiert hat», sagt Christian Furrer, Gesamtprojektleiter der SBB. «Das Projekt in nur acht Monaten umzusetzen, ist sehr anspruchsvoll. Doch es läuft hervorragend.»

Komplett neue Doppelspuren
Im Rahmen des Infrastrukturausbaus des Bundes wird im Rheintal das Bahnnetz erweitert (siehe Grafik). Ein gigantisches Projekt, das zwischen Buchs und Altstätten eine achtmonatige Totalsperre der Bahnstrecke zur Folge hatte. «Wir haben verschiedene Optionen evaluiert», sagt Christian Furrer. «Was ist die wirtschaftlichste Lösung und was die qualitativ beste? Da wir im Rheintal einen setzungsempfindlichen Untergrund haben, zeigte sich: Der Projektabschnitt zwischen Rüthi und Oberriet Nord liess sich in der geforderten Qualität nur mit einem Neuaufbau des Trassees realisieren. So haben wir uns – auch in Absprache mit dem Kanton St.Gallen – für den achtmonatigen Streckenunterbruch entschieden.»

Für die neue Doppelspur brauchte es neben Unterbau, Schotter und Gleisen auch Tonnen von qualitativ hoch­wertigem Asphalt. Dieser bildet unter dem Schotter eine Dichtungsschicht, die das Regenwasser ableitet. «Früher baute man dazu eine mineralisch-tonig gebundene Tragschicht ein. Bei einer solchen musste man mehrere Tage warten, bis das Material abgebunden war.»

Projekt Doppelspurausbau Rheintal

Mit dem Ausbauschritt 2025 realisiert der Bund auf dem Schweizer Schienennetz Projekte im Umfang von 6,4 Milliarden Franken. Dazu gehört auch der Doppelspurausbau im St. Galler Rheintal. Die Teilprojekte zwischen Sevelen und Altstätten werden von 2022 bis 2024 umgesetzt.
 
Dazu gehören:
  • Rückbau der ehemaligen Haltepunkte Weite-Wartau und Räfis-Burgerau
  • Anpassung der Perronanlagen in Sevelen
  • Doppelspurausbau zwischen Sevelen und Buchs (4 Kilometer), in Buchs Nord (0,9 Kilometer) sowie zwischen Oberriet und Oberriet Nord (2,8 Kilometer)
  • Ausbau des Bahnhofs Rüthi zum Kreuzungsbahnhof, damit die S-Bahnen hier zukünftig kreuzen können
  • Anpassungen am Bahnhof Oberriet
  • Erneuerung der bestehenden Gleise entlang der Doppelspurausbauten, damit die Züge auch in Zukunft sicher und pünktlich verkehren können

 

Quelle: SBB

Weicher Belag als Trennschicht
Überwacht wird der Einbau des Asphalts vor Ort von Olaf Schmidt, Baustellenchef der Arbeitsgemeinschaft ARGE Plus. «Ich bin dazu da, die unzähligen verschiedenen Bausteine und Beteiligten dieses Projekts zu koordinieren und den Überblick zu behalten», beschreibt er seine Funktion. Seit über zehn Jahren baut die SBB Dichtungsschichten aus Asphalt unter dem Schotter ein. Dafür wird eine ganz spezielle Mischung hergestellt: der sogenannte AC-Rail-Asphalt, der einen höheren Bitumenanteil aufweist: «Er ist weicher als Strassenasphalt und knätschiger – damit meine ich elastischer», sagt Olaf Schmidt.

Die Belagsschicht weist von der Mitte her eine leichte Neigung nach aussen auf, damit das Regenwasser, das durch den Schotter auf die Trennschicht trifft, zur Seite abfliessen kann. Bei der Bahnlinie im St. Galler Rheintal wurden zusätzlich auf der Seite Entwässerungsleitungen und Entwässerungsgräben gebaut. «Wir müssen das Wasser hier fassen, weil wir uns in einem leichten Einschnitt befinden. Andernorts wird es zum Teil einfach seitwärts über das Bahnbord abgeleitet», erklärt Christian Furrer.

Christian Furrer, Gesamtprojektleiter der SBB, und Olaf Schmidt, Baustellenchef der ARGE Plus.

Anspruchsvoller Untergrund
Die Arbeiten laufen auf Hochtouren. An diesem heissen Sommertag bauen die Arbeiter insgesamt fast 2000 Tonnen Asphalt auf einer Strecke von einem knappen Kilometer ein. Für den 2,8 Kilometer langen Abschnitt bei Oberriet benötigen sie drei Tage.

Was man bereits nicht mehr sieht: Unter dem Asphalt befindet sich ein ausgeklügelter Aufbau. «Wir haben bei diesem Projekt eine spezielle Baugrundverbesserungsmassahme gewählt. Ausschlaggebend dafür war der im Rheintal vorherrschende Rietboden mit seiner sehr hohen Setzungsempfindlichkeit und seiner limitierten Tragfähigkeit», erklärt Olaf Schmidt. Damit sich der Boden im Nachhinein nicht absenkt, hat das Team der ARGE Plus für den neuen Doppelspurabschnitt 15’000 Betonrüttelsäulen in den Boden gesetzt. Ein Rüttelrohr presst sich dazu in den Boden, bis es auf eine tragfähige Schicht trifft. Beim Hochziehen wird Beton durch das Innenrohr gepresst und füllt so den entstehenden Hohlraum. Bei diesem Vorgang entsteht eine Säule mit rund 50 Zentimetern Durchmesser. Zum Schluss wird in die Mitte ein Armierungseisen gesteckt, wie Olaf Schmidt ausführt: «Bei dem Untergrund, den wir hier haben, sind die Säulen zwischen 8 und 16 Meter lang. Pro Säule haben wir im Schnitt vier Minuten gebraucht.»

Doch damit nicht genug. Auf den Rüttel­säulen befindet sich eine weitere zwei Meter dicke Schicht aus Kies, die mit einem Geotextil verstärkt wurde. «So werden die Horizontalkräfte vom Geotextil aufgenommen und nur noch vertikale Kräfte auf die Rüttelsäulen übertragen», erklärt der Baustellenchef.

Bei der SBB kommt dieses Verfahren zum ersten Mal in diesem grossen Ausmass zum Einsatz: «Es ist eine bewährte Bauweise, die auch im Ausland eingesetzt wird», erklärt Christian Furrer. «Wir sind überzeugt, die geeignete Lösung für diesen Untergrund gefunden zu haben.»

Hoch motiviertes Team
Auf dem fertigen Untergrund bearbeiten zwei Belagsteams gleichzeitig die beiden Hälften des Bahntrassees: pro Seite ein Maschinenchef sowie ein Polier und drei Strassenbauer. Der Bauführer koordiniert die beiden Teams und schickt der Mischgutanlage in Sennwald laufend Meldungen, wann genau das neue Material auf der Baustelle sein muss. Dort, wo die Walzen ihre Arbeit geleistet haben, misst eine Person aus dem Labor die Verdichtung, um die Qualität des Belags zu kontrollieren. Alles läuft minutiös nach Plan und mit grosser Routine. «Die Jungs sind sehr erfahren», sagt Olaf Schmidt. «Und wir sind alle topmotiviert. Ich habe noch nie eine Baustelle gesehen, auf der jeden Tag mit so viel Motivation ans Werk gegangen wird.»

Dass sich die SBB für einen kompletten Neubau auf den Abschnitten für die Doppelspur entschieden hat, sei ein zusätzlicher Vorteil, wenn es um den Belagseinbau gehe, fügt Olaf Schmidt an: «Der Streckenunterbruch ist für uns ein Segen. Es ist viel angenehmer, denn es braucht viel weniger Sicherheitsmassnahmen. So sind wir freier, viel effizienter, und der Bau ist von höherer Qualität.»

«Das Projekt in nur acht Monaten um­zu­setzen, ist sehr anspruchsvoll. Doch es läuft hervorragend.»

Fahrplanwechsel bereits 2024
Parallel zum Belagseinbau sind bereits die Bahntechniker am Werk. Sie ziehen die Erdungsleitung in die auf­gestellten Strommasten ein. «Wir verschenken keinen Tag», sagt SBB-Projektleiter Christian Furrer. «Alle sind am Rennen, damit wir im September die ersten Testfahrten durchführen können.»

Ab dem 30. Oktober 2023 ist die Strecke zwischen Rüthi und Oberriet wieder befahrbar. Danach starten die Arbeiten im Süden zwischen Sevelen und Buchs, wo ein weiterer Doppelspurabschnitt erstellt wird. Mit der achtmonatigen Totalsperre kann die Inbetriebnahme der beiden Doppelspurabschnitte schon mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2024 erfolgen – ein Jahr früher als ursprünglich geplant.

ARGE Plus
Für die Ausführung des Doppelspurausbaus der SBB im Rheintal haben sich mehrere Baufirmen zur ARGE Plus zusammengeschlossen. Die Arbeitsgemeinschaft besteht aus der Implenia Schweiz AG (Federführung), der Zindel + Co. AG (kaufmännische Leitung), der Käppeli Bau AG (Belagseinbau), der Carlo Vanoli AG (Gleisbau), der AFRY Schweiz AG (Ausführungsprojektierung) und der Elbatech AG (Fahrstromanlagen).

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