Family Business

«Gleichgültigkeit ist das Schlimmste»

In unserer Serie «Family Business» fühlen wir Inhaberinnen und  Inhabern von Bauunternehmen den Puls. Der oder die Interviewte bestimmt jeweils, wer als Nächstes an die Reihe kommt, und stellt auch gleich die erste Frage. In dieser Ausgabe befragen wir Reto Oberholzer. Er wurde von Chiara Zeckai-De Zanet und Rena De Zanet ausgewählt.

Reto Oberholzer, *1979, arbeitete bereits während der Sekundarschule in den Ferien im Familien­unternehmen mit. Seinen Werdegang bezeichnet er als klassisch: Maurerlehre bei der Firma Baumann in Rapperswil, Zusatzlehre als Strassenbauer bei der Firma Keller-Frei in Zürich. Danach folgten die Ausbildung zum Bauführer in Aarau und die Weiterbildung zum Baumeister in Sursee. «Ich will erst heimgehen, wenn ich Bauführer bin», sagte sich der junge Reto Oberholzer und setzte seine Pläne konsequent um. 2006 stieg er ins Familienunternehmen ein und übernahm 2015 zusammen mit seinem Bruder Jürg die Geschäftsleitung. Noch immer bezeichnet er das Bauen als Leidenschaft, die Arbeit als Ausgleich. Ab und zu gönnt er sich eine kurze Auszeit beim Skifahren oder Wandern.

Dieser Chef mag keine langen Worte. Das ist beim rund 60-minütigen Interview­termin in Neuhaus SG offensichtlich. Reto Oberholzer lässt sich die Fragen gründlich durch den Kopf gehen, bevor er antwortet. Fühlt er sich womöglich zu dem Interview «verknurrt»? Nach und nach zeigen sich allerdings sein trockener Humor und seine ausgeprägte Zielstrebigkeit. «Wohlüberlegt» ist wohl ein treffendes Adjektiv, um Reto Oberholzer zu beschreiben. Aber auch ein gewisser Ehrgeiz und eine ungebremste Leidenschaft für den Bau kommen beim Gespräch zum Vorschein.

Reto Oberholzer, wir starten mit der Frage von Chiara Zeckai-De Zanet und Rena De Zanet. Was bedeutet für Sie «Family Business»?
Es bedeutet in erster Linie Verantwortung gegenüber unseren Angestellten. Es bedeutet auch, langfristig zu planen und die Entscheidungswege möglichst kurz zu halten. Und es bedeutet, ein Unternehmen zusammen mit dem Bruder zu führen. Unser Arbeitstag ist abends um fünf nicht beendet. Wir diskutieren Geschäftliches sogar, wenn wir uns am Wochenende sehen.

Was denken Sie, warum haben sich so viele Bauunternehmungen diesen
Familiencharakter bewahren können?
Der Bau ist eine Emotionsbranche. Man kann damit Menschen begeistern. Man kann auch nachfolgende Generationen begeistern. Das heisst, wir sind nicht «08/15» unterwegs, jeder Tag bringt neue Herausforderungen. Wir müssen schnell und flexibel entscheiden können. Das ist in einem Familienunternehmen einfacher als in einem Grosskonzern.

Sie haben sich schon früh für die Baubranche entschieden. Wie vor­bestimmt war Ihr Werdegang?
Ich habe zu meinem Vater hoch­geschaut und schon als Kind gemerkt, das, was er macht, möchte ich auch machen. Es war für mich keine Frage, sondern eine Tatsache.

Trotzdem haben Sie, wie die meisten, Ihre berufliche Laufbahn ausserhalb des Familienunternehmens begonnen …
Das machte einfach Sinn. Es war eine wohlüberlegte Massnahme und quasi eine Vorsorge gegen spätere Betriebsblindheit. 2006, zwei Jahre nach meinem Abschluss als Bauführer, sprach mich mein Vater an und fragte, wie es denn nun aussehe, er brauche jetzt einen Bauführer. So bin ich schliesslich nach Hause gekommen.

Es scheint, als hätten Sie bei all Ihren Entscheidungen nur ein Ziel vor Auge …
Genau das ist das Spezielle am Familien­unternehmen. Wir betrachten nichts kurzfristig. Wir planen für die nächsten Generationen. Und ich wusste halt schon sehr früh, dass ich in Vaters Fussstapfen treten will.

Wie ist es, wenn der Vater noch immer im Unternehmen tätig ist? Funkt er
Ihnen manchmal dazwischen?
Wir haben die Rollen klar getrennt. Unser Vater betreut die Immobilienprojekte, Jürg und ich kümmern uns um das Tagesgeschäft. Der Vater begleitet uns aber immer noch bei wichtigen Entscheidungen. Ich sehe das nicht als «reinfunken», sondern als Unterstützung.

Und Sie und Ihr Bruder? Wie teilen Sie sich die Geschäftsleitungsfunktion auf?
Das ist eine schwierige Frage. Wir haben keine Aufgaben definiert. Wir ergänzen uns einfach. Und machen das miteinander.

Wie konnten Sie die Faszination für den Bau bewahren?
Es macht mir nach wie vor Freude. Ich kann nicht erklären, warum. Aber wenn ich herumfahre und sehe, was wir gebaut haben, dann kommen bei mir Emotionen hoch.

«Wir bauen Autobahnen, manchmal Gartenhäuser und fast immer alles dazwischen.» Das breite Spektrum an Bauleistungen ist der Slogan der Firma Oberholzer. 1945 durch Anton Oberholzer gegründet, befindet sich die Firma bis heute zu 100 Prozent in Familienbesitz. Die Oberholzer Bauleistungen AG mit Hauptsitz in Neuhaus SG zählt heute 90 Mitarbeitende und wird von den Brüdern Reto und Jürg Oberholzer geführt. Sie ist im Linthgebiet, im Zürcher Oberland und im Toggenburg eine konstante und verlässliche Partnerin für Bauvorhaben im Hoch-, Tief- und Strassenbau.

Was zeichnet Sie als Unternehmer aus?
Ich bin manchmal recht fordernd. Und ich bin immer auf der Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten. Ein gewisser Ehrgeiz schwingt dabei mit. Aber das Wichtigste: der Respekt gegenüber den Mitarbeitenden.

Wo spürt man das im Alltag?
Ich versuche, Verständnis für die ­Anliegen unserer Mitarbeitenden ­aufzubringen. Und ich möchte ein ­Vorbild sein. Man findet mich sowohl im Büro als auch auf der Baustelle. Auch bei einer Nachtschicht oder am Wochenende.

Gab es für Sie einen Moment im Leben, in dem Sie an Ihrem vor­­ge­gebenen Berufsweg zweifelten?
Nein.

Was bringt Sie auf die Palme?
Ich glaube, wenig. Oder dann bin ich bemüht, es nicht zu zeigen. Ich ver­suche, Ruhe zu wahren. Auch bei schwierigen Situationen deeskalierend zu handeln. Was ich aber gar nicht mag: wenn ich kein Herzblut bei den Beteiligten spüre. Gleichgültigkeit ist für mich das Schlimmste.

Und wann schlagen die positiven Emotionen hoch?
Wenn es einfach rundläuft. Oder wenn wir den Zuschlag für gute Projekte
erhalten.

Sie haben zwei Töchter, die jetzt vier und sechs Jahre alt sind. Spürt man bei ihnen auch schon eine Faszination für den Bau?
Natürlich! Jedes Kind spielt gern mit Lego. Und alle Kinder lieben das Bauen im Sandkasten. Es löst schon bei den Kleinsten Emotionen aus. Ich nehme meinen Töchtern aber die Puppen nicht weg, falls Sie das meinen …

Was wünschen Sie sich für die Firma Oberholzer?
Dass wir als Unternehmen fit und finanziell gesund bleiben. Das wir die Stabilität, die ich und mein Bruder von unserem Vater übernehmen durften, erhalten können. Und ich werde mich weiter dafür einsetzen, dass wir nicht träge werden. Natürlich bleiben wir ein Bauunternehmen, und auch in Zukunft wird in diesem Bereich viel handwerkliches Geschick gefragt sein. Doch müssen wir neue Arbeitsmethoden im Bereich von Mechanisierung und Digitalisierung ins Auge fassen. Mein Antrieb ist, immer einen Schritt vorauszudenken.

Wer soll als Nächstes interviewt werden?
Hanno Foser.

Und welche Frage haben Sie an ihn?
Was ist dein Antrieb?

Herzlichen Dank für das Gespräch.

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