Mobilität

«Die demografische Entwicklung hat direkte Auswirkungen auf den Verkehr»

Die Bevölkerung wächst, die Wirtschaft auch. Und der Verkehr? Auch. Allerdings unterproportional. Diesen Fakt wie auch den Umstand, dass die Fahrzeugkilometer für Lieferwagen um beinahe 60 Prozent zunehmen werden, zeigt der Blick in die Verkehrsperspektiven 2050. der asphaltprofi fühlt den Puls.

ÖV, Velo, Auto, Liefer- und Lastwagen – der Verkehr wird auch in Zukunft wachsen. Gemäss dem Hauptszenario «Basis » der Verkehrsperspektiven des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE), dem die mobilitätspolitische Strategie des Bundesrats zugrunde liegt, nimmt die sogenannte Verkehrsleistung (Personen kilometer) bis ins Jahr 2050 um 11 Prozent zu. Das ist weniger als das geschätzte Bevölkerungswachstum von 21 Prozent, fällt jedoch trotzdem ins Gewicht und bedeutet eine Mehrbelastung fürs Strassennetz. «Überraschend ist die Umkehr der gewohnten Entwicklung», sagt Dr. Andreas Justen, Projektleiter der Verkehrsperspektiven im ARE. «Bisher war es so, dass der Verkehr parallel mit der Bevölkerung anstieg oder noch stärker. Im Szenario «Basis» gehen wir davon aus, dass die Bevölkerung schneller wächst als der Verkehr.»

Ein wichtiger Grund für das langsamere Wachstum des Personenverkehrs ist die Digitalisierung. Die Arbeit im Homeoffice sorgt dafür, dass die Menschen weniger pendeln. Online-Meetings ersetzen physische Treffen und damit Fahrten zu einem bestimmten Ort. Die Prognose bis 2050: 13 Prozent weniger Arbeitswege als im Referenzjahr 2017.

Mehr Freizeitfahrten
Nebst dem vermehrten Arbeiten zu Hause sorgt die Alterung der Bevölkerung dafür, dass die Zahl der Erwerbstätigen weniger stark zunimmt und somit weniger Pendlerkilometer anfallen. Andreas Justen: «Die demografische Entwicklung hat direkte Auswirkungen auf den Verkehr.» Während der Arbeitsverkehr abnehmen wird, gehen die Experten beim Freizeitverkehr von einem dynamischen Wachstum aus. Die wegfallenden Arbeitswege werden mehrheitlich durch Freizeitfahrten ersetzt. Damit gewinnt der Freizeitverkehr, der bereits heute den grössten Anteil der Mobilität ausmacht, weiterhin an Bedeutung.

Bis ins Jahr 2050 dürfte die Bevölkerung in der Schweiz gemäss Annahmen des Bundesamts für Statistik auf knapp 10,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner ansteigen. Vor allem in Städten und Agglomerationen wird der Anstieg erwartet. Diese Prognose hat Auswirkungen auf den Strassenbau. ARE-Projektleiter Andreas Justen: «Für die Nationalstrassen heisst das, dass es an den Engpässen Ausbauten braucht. Die geplanten Projekte werden durch unsere Prognosen gestützt. Dies gilt auch für die Entwicklung beim ÖV sowie beim Fuss- und Veloverkehr.»

Auto bleibt wichtig
Der Anteil des öffentlichen Verkehrs steigt gemäss den Verkehrsperspektiven 2050 von heute 21 auf 24 Prozent. Im Szenario «Basis» werden mit Abstand aber noch immer die meisten Wege mit dem Auto zurückgelegt, auch wenn der Anteil im Vergleich zum ÖV leicht zurückgeht. Man rechnet damit, dass künftig noch 68 Prozent der Verkehrsleistung von Autos erbracht werden. Heute sind es 73 Prozent. Der Anteil des Velos (inklusive E-Bikes) verdoppelt sich von 2 auf 4 Prozent. Ein Grund dafür ist, dass mit E-Bikes längere Strecken gefahren werden. «Voraussetzung für diese Entwicklung ist, dass auch die kommunale Ebene mit entsprechender Infrastruktur auf diese Entwicklung eingeht», sagt Andreas Justen.

Ungebremster Lieferwagen-Boom
Die Transportleistung im Güterverkehr, gemessen in Tonnenkilometern, steigt bis 2050 um 31 Prozent. Dies in einem Zeitraum, in dem das Bruttoinlandprodukt – also die Wirtschaftsleistung des Landes – um 57 Prozent wächst. Ein wichtiger Grund dafür: Wegen der Dekarbonisierung (Ölheizungen und Verbrennungsmotoren werden schrittweise durch nichtfossile Alternativen ersetzt) nimmt in den kommenden Jahren der Transport von Heizöl und Treibstoff massiv ab.

Statt dieser Massengüter werden in Zukunft umso öfter kleinere Ladungen befördert. Der Online-Handel expandiert, und die Zahl der Lieferwagenfahrten wächst: um 58 Prozent. Andreas Justen ordnet ein: «Diese Zahl ist hoch, und die Bedeutung des Lieferwagenverkehrs steigt. Man muss sie allerdings relativieren. Die Lieferwagenfahrten machen auch in Zukunft verglichen mit dem restlichen Verkehr auf der Strasse einen kleinen Teil aus.»

Strassenplanung nimmt Trends auf
Die Herausforderung besteht in den nächsten Jahren darin, Siedlung und Verkehr aufeinander abzustimmen. Die Verkehrsperspektiven 2050 haben Einfluss auf die schweizweiten Agglomerationsprogramme und bilden eine Grundlage für die Infrastruktur- und Angebotsplanung der Bundesämter für Verkehr (BAV) und für Strassen (ASTRA).

Das ASTRA berücksichtigt die Ergebnisse zur Bewertung von Engpässen und um mit punktuellen Ausbauten langfristig Staus zu verhindern.

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