Menschen

«Wir sind aufs Verkehrsnetz angewiesen»

Bilder: Michael Huwiler, Olma Messen

Rund 350’000 Menschen besuchen pro Jahr die Schweizer Messe für Landwirtschaft und Ernährung OLMA. Ein gigantischer logistischer Aufwand – sowohl wenn es darum geht, Besucherströme zu leiten, als auch im Hintergrund, bei der An- und Ablieferung der Waren und Tiere. Im Interview gibt Olma Messen CEO Christine Bolt einen Einblick.

Christine Bolt, wie nutzen Sie unsere Strassen?
Ich bin beruflich bedingt vor allem in der Ostschweiz unterwegs. Für Kurzstrecken nehme ich das Auto. In die Stadt gehe ich bevorzugt zu Fuss. Da ich in Abtwil wohne und in St.Gallen arbeite, nehme ich am Morgen ab und zu das Velo. Dann habe ich gleich schon ein halbes Stündchen Sport gemacht. Wenn ich aber weiter wegfahre, dann nehme ich den Zug.

Wie schätzen Sie den Zustand des Schweizer Strassennetzes ein?
Als Luxus. Wir haben immer neue Strassenbeläge. Wir haben schöne Strassen. Und ein bestens ausgebautes Strassennetz. Sobald man wieder einmal über die Grenze ins Ausland fährt – wie ich zum Beispiel im Sommer nach Italien –, sieht man, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist.

Warum empfinden Sie es nicht als selbstverständlich?
Man braucht Ressourcen, um diese aussergewöhnlich gute Qualität aufrechtzuerhalten. Wir lassen uns in der Schweiz das Strassennetz etwas kosten. Es gibt Menschen, die sich fragen, ob das nötig ist. Ich selbst empfinde es als komfortabel, so unterwegs sein zu dürfen, egal, mit welchem Verkehrsmittel. Darum: Die Investition lohnt sich.

Die gerade stattfindende OLMA ist die grösste Publikumsmesse der Schweiz. Inwiefern ist eine solche Grossver­anstaltung auf die Verkehrsnetze angewiesen?
Für uns ist die verkehrstechnische Erschliessung enorm wichtig. An die OLMA kommen in elf Tagen 350’000 Menschen, davon rund zwei Drittel mit dem ÖV. Sie steigen am Bahnhof St. Fiden oder am Hauptbahnhof aus und nehmen die Extrabusse. Wir haben nur wenige Parkplätze vor Ort, haben aber Parkmöglichkeiten auf der anderen Stadtseite und bieten von dort Shuttle-Busse an.

Sie bräuchten also mehr Parkplätze?
Nicht unbedingt. Zusammen mit anderen Grossveranstaltern der Stadt haben wir eine Initiative gestartet, mit dem Ziel, noch mehr Menschen auf den öffentlichen Verkehr umzuleiten. Dies auch aus ökologischen Gründen – und natürlich, weil an den Messen einiges an Alkohol getrunken wird. Wir sind froh, wenn die Leute mit dem ÖV kommen.

Die OLMA ist eine logistische Herausforderung. Wie garantieren Sie, dass auch im Hintergrund alles klappt?
Natürlich können wir bei der An- und Ablieferung nicht alle gleichzeitig aufs Gelände lassen. Das gäbe ein Chaos. Rund um den Bahnhof St.Fiden ver­fügen wir über Flächen, die wir wie eine Art Check-in nutzen. Dort ­kommen die Lastwagen und Lieferwagen an. Wir rufen die Fahrzeuge von dort ab und lassen sie gestaffelt aufs Gelände.
Es gibt einen genauen Fahrplan, wer wann anliefern darf.

Wie viele Waren kommen da zusammen und wie viel Zeit braucht es, um sie anzuliefern?
Über die Menge des Warenumschlags führen wir keine Statistik. Ich kann
Ihnen aber sagen, es ist enorm viel! Die Aussteller beginnen sieben Tage vor Messebeginn mit den Anlieferungen. Für unsere eigenen Messebauten geht es schon zweieinhalb Wochen vorher los. Das Aufräumen geht viel schneller. Das ist in zwei bis drei Tagen durch.

Die OLMA findet dieses Jahr zum 80. Mal statt. Welche Bedeutung hat sie für die Region?
Die OLMA-Eröffnung ist der Tag, an dem Regierungen aus acht Kantonen sowie aus dem Fürstentum Liechtenstein nach St.Gallen kommen. Auch ein Vertreter des Bundesrats ist immer dabei. Es gibt viel Politik, viel Prominenz. Wir können uns zeigen und werden wahrgenommen. Die OLMA ist wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich enorm wichtig für die Ostschweiz.

Und für die Ostschweizerinnen und Ostschweizer, was bedeutet die
Messe für sie?
Die OLMA ist für uns Ostschweizer ein bisschen wie der Säntis. Ein Stück Identität.

«Die OLMA ist für uns Ostschweizer ein Stück Identität.»

Für Sie ist dies bereits die dritte OLMA als CEO. In Ihrer Zeit gab es
jedoch nicht nur Sonnenschein. Wie haben Sie das erlebt?
Intensiv. Und zwar durchgehend sehr intensiv. Wir haben Krisenmanagement betrieben, finanzielles und politisches. Es kamen einige Dinge auf, die eigentlich nicht vorgesehen oder einfach aussergewöhnlich waren. Wir haben während der Pandemie Zeit verloren, weshalb wir nun einige Reformen in sehr kurzer Zeit durchdrücken mussten. Aber es macht auch grossen Spass, bei einem der grössten Entwicklungs-Cases der Ostschweiz mit dabei zu sein.

Was meinen Sie mit Entwicklungs-­Case?
Wir haben immer noch finanzielle Herausforderungen und müssen uns gleichzeitig als Organisation komplett neu aufstellen. Der Bau der neuen Halle ist ein Riesenschritt. Wir haben die Liga gewechselt. Das heisst, wir müssen als Firma und Organisation hineinwachsen, uns entwickeln und bereit sein. Wir investieren aktuell viel in Marketing, Verkauf, Produktentwicklung und Innovation.

Und doch – so ganz im Trockenen sind die Finanzen nicht, auch wenn 2022 ein gutes Geschäftsjahr war …
Man muss festhalten: Der Bund hat uns während zweier Jahre verboten zu arbeiten. Aus dieser Covid-Zeit fehlen uns 40 Millionen Franken. Und die Politik kommt nur für 17 Millionen davon auf. Das heisst, dass wir den Rest des Geldes auf dem Markt suchen müssen.

Christine Bolt, 47, ist seit dem 1. Juni 2020 Direktorin der Olma Messen St.Gallen AG. Das Unternehmen hat derzeit 90 Mitar­beitende und ist damit einer der wichtigsten Messeveranstalter der Schweiz. Zuvor war Christine Bolt unter anderem Mitglied der Geschäftsleitung von CH Media und Direktorin von Toggenburg Tourismus. Sie ist eidgenössische Marketingplanerin und Verkaufsleiterin und hat einen Masterabschluss der ZHAW in Supervision und Coaching.

Unter anderem möchten Sie dies durch die kürzliche Umwandlung der Genossenschaft in eine AG erreichen. Die Nachfrage nach Aktien ging aber zu Beginn nicht gerade durch die Decke. Wie sieht es jetzt aus?
Sie müssen sehen: Als Genossenschaft hätte es nicht funktioniert, an das restliche benötigte Fremdkapital zu gelangen. Darum mussten wir uns in eine AG umwandeln. Es ist nicht so, dass Managementfehler gemacht wurden. Die Situation entstand nur durch die Krise. Die AG war ein Teil unseres ­Rettungsplans. Und die GV gab uns Recht, es gab keine einzige Gegen­stimme. Nun ist unser Ziel, bis zum nächsten Frühjahr 20 Millionen Franken Aktienkapital zu akquirieren. 10 Millionen haben wir schon. Man darf nicht vergessen: Allein in der Stadt St.Gallen hängen über 1000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt an den Olma Messen. Darum bin ich überzeugt, dass wir die Ostschweizerinnen und Ostschweizer dazu bringen können, mitzumachen.

Denken Sie, dass das Messegeschäft in Zukunft stabil sein wird? Während der Pandemie hat man gehört, Publikumsmessen seien passé …
Diese Prognosen haben sich als nichtig erwiesen. Was wir sehen: Seit wir wieder arbeiten dürfen, haben wir die Hallen gut gebucht. Wir hatten letztes Jahr innerhalb von neun Monaten 130 Veranstaltungen. Darunter die Messen, aber auch Kongresse, Firmenanlässe, die ganze Palette der Live-Kommunikation. Wir sind noch nicht ganz über den Berg, aber unser ope­r­a­tives Geschäft funktioniert – und das wird es auch in Zukunft, davon bin ich überzeugt.

Wie schaffen Sie es, neben diesem Job Zeit für Privates zu haben? Gehen Sie ab und zu noch joggen?
Ja natürlich, auch Wandern und Skifahren. Aber ich habe ein super Umfeld. Mein Mann ist pensioniert und hält mir den Rücken frei. Und ich verfüge über ein gutes Selbstmanagement. Ich schlafe nach wie vor gut – wirklich! Es ist aber auch okay, wenn die neue Halle im März 2024 eröffnet wird und meine Arbeitswoche vielleicht nur noch 50 Stunden dauert statt wie jetzt 60 bis 70.

Launiger Kurztest

Auto oder Velo?
(zögert) Auto

Autobahn oder Passstrasse?
Passstrasse
 
Rückwärtsfahren oder seitlich einparkieren?
Seitlich einparkieren
 
Limousine oder Traktor?
Traktor
 
Norden oder Süden?
Süden
 
Säntis oder Bodensee?
Säntis
 
Säulirennen oder Viehschau?
Viehschau
 
Halle 4/5 (Degustation) oder Halle 7 (Tiere)?
Degustation
 
OLMA-Bratwurst oder Cervelat?
Natürlich OLMA-Bratwurst
 

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