Qualität

«Bei uns ist die Recyclingquote offen»

Fabian Traber ist beim Bundesamt für Strassen ASTRA Fachspezialist für Strassenaufbau / Oberbau – sozusagen der Belagschef für die Nationalstrassen. Im Interview wagt er eine Mobilitätsprognose für das Jahr 2050, erklärt, wie das ASTRA die Kreislaufwirtschaft fördert und gibt Einblick über aktuelle Innovationen im Strassenbau.

Fabian Traber, unser Heftthema heisst: Es läuft rund. Wann läuft es in Ihrem Alltag rund?

Wenn viel läuft. Dann komme ich in die Gänge. Ich bin lieber ein wenig überals unterfordert. Am meisten läuft bei mir in den klassischen Belagsmonaten, ab Mai bis Ende August. Dann betreue ich einerseits die aktuellen Baustellen und bin gleichzeitig an der Projektierung für das nächste Jahr.

Welches sind Ihre Leitmotive bei der Arbeit?

Am wichtigsten ist für mich Fairplay. Es ist ein Geben und Nehmen. Wir haben verschiedene Parteien am Tisch, und die Zusammenarbeit muss funktionieren. Ebenfalls wichtig ist die Freude an der Arbeit. Und eine gewisse Leistungsorientiertheit.

Wenn Sie eine Prognose machen müssten, wie sieht die Mobilität in der Schweiz im Jahr 2050 aus?

Ich glaube, wir sind dann flächendeckend elektrisch unterwegs. Im Auto, im Zug und auch in der Luft. Und wir werden tendenziell noch mobiler sein. Das bedeutet aus meiner Sicht aber nicht, dass wir mehr Energie verbrauchen werden. Denn die Herstellung von Treibstoff verbraucht heute Unmengen von Energie. Wir werden eher effizienter unterwegs sein. Darum glaube ich, dass wir den Energieverbrauch eher senken werden.

Was muss passieren, damit wir dies erreichen?

Grundsätzlich bin ich positiv eingestellt. Den Fortschritt kann man nicht aufhalten. Man kann ihn unterdrücken oder verzögern. Doch das Beste überlebt, wie in der Natur. Das Günstigste und Effizienteste. Dafür braucht es eine sinnvolle Regulierung. Wir müssen uns weltweit auf einen Standard einigen, etwa beim autonomen Fahren.

Was beschäftigt Sie momentan am meisten, wenn es um die Schweizer Strassen geht?

Aufgrund gesetzlicher Vorgaben wird sehr viel dem Lärm untergeordnet. Wir nehmen ökologische und ökonomische Nachteile zugunsten des Lärmschutzes in Kauf. Wir bauen leise Beläge, die aber nur 10 bis 15 Jahre halten. Dadurch verbrauchen wir mehr Ressourcen und es gibt mehr Baustellen. Ist das sinnvoll? Das Thema Langlebigkeit sollte eine grössere Bedeutung haben.

Das Schweizer Strassennetz gilt als eines der qualitativ hochwertigsten. Nur Singapur und die Niederlande schneiden noch besser ab. Warum ist das so?
Nach meinen Ferien in Mallorca kann ich wieder einmal bestätigen: Ja, unsere Strassen sind einwandfrei. Und das heisst viel. Denn die Holländer haben es einfacher, sie arbeiten überall in der gleichen Klimazone. Wichtig für die Qualität ist, dass der Staat die Ressourcen zur Verfügung stellt. Das ist bei uns der Fall. Dazu kommt: Vom Produzenten über den Baumeister bis zum Planer und Bauherrn verfügen bei uns alle Beteiligten über grosses Wissen und Einsatzbereitschaft. Die Unternehmer und Planer liefern saubere Arbeit. Das Teamplay funktioniert in der Schweiz optimal.

Wie sieht dies mit Blick auf den aktuellen Fachkräftemangel aus?
Dieser könnte längerfristig einen grossen Einfluss haben. Die Baubranche ist nicht mehr so sexy zum Arbeiten wie auch schon. Man arbeitet lange, hat manchmal Nacht- oder Wochenenddienste, und man kann nicht dann in die Ferien, wenn die anderen gehen. Auch die Baubranche kämpft mit Personalknappheit. Dabei ist das Lohnniveau nicht schlecht, und es gibt sehr gute Aufstiegsmöglichkeiten.

Zur Person

Fabian Traber, 45, ist gelernter Tiefbauzeichner und dipl. Baumeister. Beruflich war er als Polier und Bauführer bei den Strassenbaufirmen Stuag AG, Batigroup AG und Sustra AG tätig, ab 2012 war er Fachstellenleiter Belags- und Geotechnik beim Kanton Aargau. 2018 übernahm er beim ASTRA die Stelle als Fachspezialist für Strassenaufbau/ Oberbau. Fabian Traber lebt mit seiner Frau und seinem siebenjährigen Sohn in Olten SO.

Das ASTRA fördert gemäss eigenen Angaben das Recycling von Ausbruchasphalt. Wie genau sieht diese Förderung aus?
Wir haben eine Norm, die eine maximale Quote vorgibt. Es gibt darin aber eine Klausel, die besagt, dass man in Absprache mit dem Bauherrn eine höhere Recyclingquote vereinbaren kann. Das ASTRA als Bauherrin sagt: Die Unternehmen dürfen Mischgut verbauen, das über die Norm hinausgeht, wenn es die Qualitätsanforderungen erfüllt. Bei uns ist die Recyclingquote gegen oben offen.

Nun werden aber insbesondere auf den Autobahnen bisher keine hohen Recyclinganteile eingesetzt…
Da machen Sie einen Denkfehler. Bei den Standardbelägen für andere Strassen (ACT und ACB) brauchen wir 20 Prozent mehr Schichtstärke. Das sind in der Höhe vier Zentimeter mehr Asphalt. Die EME-Beläge, die wir für die Nationalstrassen brauchen, sind sehr harte Beläge, und ja, hier können wir prozentual nicht gleich viel Recycling beigeben. Die Höhe der Schicht beträgt aber nur acht Zentimeter. Mit unseren Recyclingquoten von bis zu 60 Prozent verbrauchen wir hier schlussendlich weniger Primärmaterial als bei anderen Strassen.

Aktuell kommen wir ganz ohne frisches Bitumen nicht aus. Wird sich dies in Zukunft ändern?
Wir bräuchten ein Superprodukt, das günstig und überall verfügbar ist, welches das Bitumen ersetzen könnte. Bitumen hat in allen Belangen sensationelle Eigenschaften. Daher glaube ich nicht, dass es in absehbarer Zeit ersetzt werden könnte.

Was halten Sie von Eigeninitiativen der Mischgutproduzenten, wie sie etwa die MOAG mit ihrem neuen Recyclingverfahren präsentiert?
Die Gesellschaft lebt von solchen unternehmerischen Initiativen. Das bringt uns weiter. Der Staat ist dafür eher zu träge. Er kann aber Rahmenbedingungen schaffen, damit Unternehmen innovativ sein können. Die Entwicklungsleistung muss aber von der Privatwirtschaft kommen.

Fabian Traber fährt elektrisch – aus Überzeugung, dass dies die Zukunft der Mobilität ist.

Könnte der Staat hier nicht auch eine Förderrolle übernehmen?
Das sehe ich nicht so. Der Staat muss den Anstoss geben. Wenn wir Belagswerke hinstellen und in die neuesten Aufbereitungsanlagen investieren würden, hätten wir auch Anspruch auf einen Teil des Gewinns.

Als Autofahrerin ärgere ich mich manchmal über die vielen Baustellen auf den Autobahnen. Allein in der Nordostschweiz listet das ASTRA derzeit 16 Projekte auf… Wie geht es Ihnen damit?
Wir sind das Opfer unseres eigenen Erfolgs! Ich muss aber betonen: Der Hauptgrund für Staus sind Verkehrsüberlastungen, nicht die Baustellen. Bei einer Baustelle mit Tempolimit 80 bringe ich bei grossem Verkehrsaufkommen in der gleichen Zeit mehr Fahrzeuge durch als auf einer 120er-Strecke. Denn die Abstände zwischen den Fahrzeugen sind kleiner. Wenn eine Baustelle gut geplant ist, verursacht sie keine zusätzliche Verkehrsbehinderung.

«Bei mir läufts rund, wenn viel läuft. Dann komme ich in die Gänge.»

Eines Ihrer kürzlich umgesetzten Projekte war die Belagserneuerung in der dritten Röhre des Gubristtunnels. Bringt diese die erhoffte Entlastung?
Im Bereich des Gubristtunnels ist die Entlastung da. Den grossen Effekt sehen wir aber erst nach der Sanierung der alten Röhre. Damit haben wir das Problem aber nicht dauerhaft gelöst. Früher war der Bareggtunnel das Nadelöhr. Als die dritte Röhre da war, hat es sich zum Gubrist verschoben. Die Frage ist nun: Wie schnell können wir unsere Netzstrategie umsetzen, um einen möglichst reibungslosen Verkehrsfluss zu gewährleisten? Diese wird durch politische Prozesse, Verfahren und die verfügbaren finanziellen Mittel beeinflusst. Das Verkehrsaufkommen nimmt in der Zwischenzeit weiter zu, wenn auch geringer als das Bevölkerungswachstum in der Schweiz.

Die ASTRA Bridge ist eine neue Lösung, die den Verkehrsfluss bei Baustellen sicherstellen soll und als innovatives Projekt durch die Medien ging. So richtig funktioniert hat es beim Pilotprojekt bei Luterbach SO aber noch nicht. Was halten Sie davon?
Ein solch innovatives Projekt zu lancieren, braucht Mut. Und schon allein dafür haben die Verantwortlichen viel Lob verdient. Die ASTRA Bridge ist ein Prototyp. Der Test hat gezeigt, es müssen noch zwei bis drei Dinge angepasst werden. Das heisst noch lange nicht, dass sie nicht funktioniert. Ganz im Gegenteil, ich bin mir sicher, dass wir die Bridge weiter einsetzen können.

Befinden sich weitere innovative Lösungen des ASTRA in der Pipeline?
Ja! Wir haben einen lärmarmen Gussasphalt entwickelt, der bei gleichen Ebenheitsanforderungen schienenlos wie ein Walzasphalt eingebaut werden kann. Gussasphalt ist ein dichter und sehr langlebiger Belag, der bisher hauptsächlich auf Brücken eingesetzt wurde. Um ihn auch auf anderen Strassenabschnitten zu verwenden, müssen wir ihn schienenlos einbauen können. Drei Unternehmen arbeiteten mit uns zusammen, um die Maschinen für den schienenlosen Einbau zu entwickeln. Nun dürfen wir ein Forschungsprojekt auf der Strecke Oftringen–Aarau Ost realisieren. Wenn alles klappt, fahren wir dort ab 2024 über sechs Kilometer langlebigen Gussasphalt.

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