Pionierprojekt will Recycling von Asphalt vorantreiben

Mehr Recycling und Nachhaltigkeit im Strassenbau: Ein Pionierprojekt im zürcherischen Küsnacht erprobt derzeit, wie sich Strassenbeläge mit stark erhöhten Anteilen von Altasphalt im täglichen Einsatz bewähren. Die Verantwortlichen der Baustelle arbeiten dafür mit Forschern zusammen. Dank Asphaltrecycling sollen weitreichende Einsparungen von Primärmaterial möglich werden.

Text und Recherche: Urs-Peter Zwingli
Fotografie: Hansjörg Egger

Die soeben erneuerte Alte Forchstrasse in Küsnacht ZH ist auf den ersten Blick eine gewöhnliche, stark befahrene Gemeindestrasse. Doch das rund 600 Meter lange Strassenstück ist der Ort eines Pionierprojektes für die Schweiz: In enger Zusammenarbeit mit Forschern hat der Bauherr – die Gemeinde Küsnacht ZH – Asphalt mit einem deutlich erhöhten Anteil von Altasphalt einbauen lassen. «Dadurch werden Ressourcen geschont. Diese Strassenbaustelle hat dadurch eine besonders hohe Wertschöpfung», sagt Rolf Steiner, stellvertretender Abteilungsleiter Tiefbau der Gemeinde.

Die Recyclingquoten im Bauprojekt namens «Recycling (RC) plus – Küsnacht» sind fortschrittlich. Dies zeigt der Vergleich mit den Quoten in den aktuellen Normen des Schweizerischen Verbands der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS): Die Deckschicht der Alten Forchstrasse enthält neu 50 Prozent Granulat aus Altasphalt, die heutige Norm empfiehlt null Prozent. Die Binderschicht enthält 60 Prozent wiederverwendetes Asphaltgranulat, die Norm empfiehlt 30 Prozent. 

Engmaschige Überwachung der Performance
Das Streben nach Nachhaltigkeit geht einher mit einem unvermindert hohen Anspruch an die Qualität: Auch beim Recyclingmischgut ist dessen Langlebigkeit unter den täglichen Belastungen des Verkehrs zentral. Darum wird die Performance des neuartigen Belages in Küsnacht engmaschig überwacht. Wissenschaftler vom Institut für Strassenwesen an der Technischen Universität Braunschweig (ISBS) unter der Leitung von Professor Michael Wistuba sind dafür zuständig in Zusammenarbeit mit der Schweizer ViaTec AG – Institut für Baustofftechnologie unter der Leitung von Peter Bodmer. Ein Teil der Tests findet in den Labors, ein Teil direkt vor Ort statt. 

Hergestellt hat das Mischgut mit hohem Recyclinganteil für die Baustelle in Küsnacht die MOAG Linth AG, die das Projekt von Beginn an begleitet und unterstützt hat (siehe: Interview mit Bauingenieur Peter Bodmer).

Forscher wenden neue Methoden an
Die besondere Herausforderung beim Asphaltrecycling besteht in einem ersten Schritt in der Ermittlung der Eigenschaften des Bindemittels im ausgebauten Altasphalt. Das alte Bindemittel (Bitumen) ist spröde und muss daher «verjüngt» werden, damit neues Mischgut hergestellt werden kann. Für die Art und Menge der verjüngenden Zugabemittel existieren heute jedoch keine Normen. Hier kommt das Wissen der deutschen Forscher ins Spiel: Das ISBS hat eine Systematik entwickelt, mit der die Zugabe der Verjüngungsmittel zielsicher erfolgt und die Eigenschaften des neuen Asphalts (Steifigkeit, Ermüdungsbeständigkeit, Rissresistenz, Verformungsbeständigkeit) überprüft werden können. So ist sichergestellt, dass gesicherte Ergebnisse vorliegen. Herkömmliche Prüfmethoden sind auf herkömmliches (d. h. heutigen Normen entsprechendes) Mischgut ausgelegt und liefern beim Recyclingasphalt oft ungenaue Ergebnisse.

Gutes Zusammenspiel zwischen ­vielen Partnern
Mit seinem systematischen Vorgehen und den neuartigen Erhebungsmethoden ist das Projekt in dieser Art in der Schweiz einzigartig – auch darum, weil verschiedene Partner involviert waren. «Es brauchte ein gut abgestimmtes ­Zusammenspiel zwischen Bauherr, Planer, Baumeister und Fachspezialisten», sagt Rolf Steiner von der Gemeinde Küsnacht ZH. Steiner ist zudem Dozent für Bauingenieurwesen an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR). Als solcher ist er gespannt auf die Erkenntnisse, die für «RC plus – Küsnacht» voraussichtlich Anfang 2020 vorliegen. «Es fehlen heute genormte, systematische Vorgehensweisen zur qualitativen Überprüfung der Wirksamkeit von Verjüngungsmitteln und dazu, wie und in ­welcher Menge die Mittel einzubringen sind», beschreibt Steiner den heutigen Wissensbedarf. «Im vorliegenden Projekt werden diese Systematiken erstmals angewandt und demonstriert.» 

 

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Normen im Strassenbau
Normen sind Regeln der Baukunst. Sie widerspiegeln den Stand der Technik, ihre Anwendung ist aber grundsätzlich freiwillig. Sie stellen somit breit abgestützte Empfehlungen dar. Es gibt allerdings Normen, die nicht nur als Empfehlung zu betrachten sind – dies sind Normen, die vom Gesetzgeber in Form von Gesetzen und Verordnungen für verbindlich erklärt wurden. Für «RC plus – Küsnacht» kamen die Produktenormen SN EN 13108-1 bis -8 und ihre nationalen Anhänge zur Anwendung. Publiziert hat diese Normen der Schweizerische Verband der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS). Sie basieren wiederum auf Normen, die vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) erarbeitet wurden.
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