«Es braucht Mut, um den Weg der Norm zu verlassen.»

Im Gespräch mit Peter Bodmer, der das Pionierprojekt «RC plus – Küsnacht» von Ingenieurseite begleitet hat, über das Bedürfnis nach spezifischen Erkenntnissen, Verantwortung, kompetente Partner, Beharrlichkeit und Glück.

Interview: Urs-Peter Zwingli

peter bodmer via tec

Peter Bodmer
dipl. Bauingenieur FH und Geschäftsführer der ViaTec AG – Institut für Baustofftechnologie. Die ViaTec AG bietet als akkreditiertes Labor (STS147) Qualitätsprüfungen und Beratungen für Baustoffe und Produktionsverfahren im Strassen- und Erdbau an.

Peter Bodmer, wie entstand die Idee zum Projekt 
«RC plus – Küsnacht», und warum braucht es dieses im heutigen Strassenbau?

Es sind weltweit Bestrebungen im Gange, möglichst viel Altasphalt wiederzuverwenden. Dabei wird versucht, das gealterte Bitumen im Altasphalt mit Frischbitumen oder Rejuvenatoren positiv zu verändern oder das verhärtete Bitumen vom Mineral zu trennen.

Was in der Schweiz bisher fehlte, war ein Pilotprojekt auf Gemeinde- oder Kantonsebene, bei dem Asphalt mit einem erhöhten Anteil Altasphalt eingebaut wird. Und, das ist sehr wichtig, dessen Performance erhoben und mit herkömmlichem Asphalt verglichen werden kann. Eine Gemeindestrasse bietet sich deshalb an, weil sich deren schweizweites Netz auf rund 50’000 Kilometer beläuft, jenes der Nationalstrassen aber «nur» auf 1900 Kilometer. Der Bedarf an spezifischen Erkenntnissen für Gemeindestrassen ist also enorm.

Welchen Einfluss könnten diese Erkenntnisse auf die Nachhaltigkeit haben?

Wird das Projekt ein Erfolg, würde ich von einem Meilenstein auf dem Weg zur Nachhaltigkeit sprechen. Von einem Erfolg können wir dann sprechen, wenn wir aus den Performance-Prüfungen ableiten können, dass der eingebaute Recyclingbelag die gleiche Lebenserwartung aufweist wie ein Asphaltbelag gemäss Norm – oder, falls nicht, warum das so ist. Und schliesslich müssen sich diese Erkenntnisse in der Praxis bewähren.

Haben Sie Skepsis oder Diskussionen erlebt? Brauchte es auch Mut und Neugierde, um das Projekt durchzuziehen?

Grundsätzlich ist sich die ganze Branche ihrer Verantwortung bezüglich Nachhaltigkeit und Ökologie im Strassenbau bewusst, und es wird viel zu diesem Thema unternommen. Es gibt dabei auch Projekte, die ich selbst mit Skepsis beobachte. Diese arbeiten mit sehr hohen Anteilen von Altasphalt und auch mit Zusatzmitteln im Bitumen. Gleichzeitig führen sie nur die herkömmlichen Standardprüfungen gemäss heutigen Normen durch. Diese Prüfungen reichen in keiner Weise, um die Eigenschaften des Recyclingasphaltes korrekt zu beurteilen. Weist ein Belag gute Eigenschaften und eine entsprechende Lebensdauer auf, kann man nicht schlüssig nachvollziehen, warum dies so ist. Oder umgekehrt: Der Asphaltbelag hält nicht so lange wie gewünscht, man weiss aber aufgrund der nicht angepassten Prüfungen ebenfalls nicht genau, warum. Damit besteht die Gefahr, dass die Verwendung von Altasphalt in ein falsches Licht gerückt wird.

Neugierde treibt den Menschen an und verhilft ihm zu neuen Erkenntnissen. Wir sind diesbezüglich etwas eingerostet und stark darauf ausgerichtet, alles genau nach Norm zu erledigen. Es braucht Mut, um den Weg der Normen zu verlassen, um neue Erkenntnisse und Erfahrungen zu sammeln. Ein solches Projekt in der Privatwirtschaft durchzuziehen, braucht Beharrlichkeit, kompetente Partner und auch etwas Glück.

Welche Rolle spielt die MOAG beim Begehen dieser 
neuen Wege?
Die Bedeutung der MOAG als Mischgutproduzent ist zentral. Sie ist Herstellerin des Asphaltgranulates aus dem Altasphalt und des Asphaltmischgutes mit höheren Recyclinganteilen, das letztlich eingebaut wird. Die MOAG unterstützte uns bei «RC plus – Küsnacht» von Beginn an vorbehaltlos und kompetent.

Sie kooperieren zudem mit dem Institut für Strassenwesen an der Technischen Universität Braunschweig (ISBS) sowie der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR). Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft?
Die Forscher des ISBS werden für das Projekt die Performanceprüfungen durchführen. Im Weiteren können wir auf den Erfahrungshintergrund und das Wissen des ISBS zurückgreifen und konnten mit dem Institutsleiter Professor Michael Wistuba einen weltweit ausgewiesenen Fachmann als Projektleiter gewinnen. Die HSR wird uns bei der Betrachtung des ökologischen Aspektes mit einem Bericht unterstützen. Rolf Steiner, stellvertretender Abteilungsleiter Tiefbau bei der Gemeinde Küsnacht, ist zudem HSR-Dozent für die Bauingenieure. Mit ihm arbeiten wir für das Projekt in praktischer Hinsicht von Beginn an eng zusammen. Er wird die Erkenntnisse aus «RC plus – Küsnacht» in seiner Lehrtätigkeit den Studierenden weitergeben.

Ist vorgesehen, die Ergebnisse an weiteren Orten zu publizieren?
Den Bericht, die Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Projekt möchten wir nach dem Abschluss allen interessierten Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung stellen. Aus meiner Sicht sollten die aktuelle Klimadebatte und die allgemeine Diskussion über Nachhaltigkeit für alle Beteiligten der Branche Ansporn sein, gemeinsam an funktionierenden Lösungen für den Einsatz von möglichst hohen Anteilen Altasphalt zu arbeiten.