Qualität

«Weil wir daran glauben»

Die Kreislaufwirtschaft soll auch in der Bauwirtschaft ­gefördert werden. Das ist die klare Haltung der jungen Generation. Konsument:innen und die Politik stehen in der Pflicht – aber auch die Wirtschaft. Welches Verhalten die MOAG an den Tag legt, verrät Markus Blum.

Markus Blum, die junge Generation setzt vermehrt auf Teilen, Tauschen und Weitergeben anstelle von Wegwerfen und neu Kaufen. Wie halten Sie es persönlich mit der Nachhaltigkeit?
Ich mache das, was ich machen kann. Zuhause sind wir daran, die Heizung zu sanieren, und wir installieren eine Photovoltaikanlage. Seit einem Jahr fahre ich ein Hybridauto und lade es jede Nacht auf. Ich habe noch 30 bis 40 Prozent des Fleischkonsums von früher, und wir machen Urlaub in der Region. Wir fliegen fast nie. Das war schon vor Corona und vor den aktuellen Klimadiskussionen so. Ich bin der Meinung, wenn man das Geld hier in der Schweiz verdient, sollte man es auch hier wieder ausgeben.

«Wir schwatzen nicht über Kreislaufwirtschaft, wir setzen sie um. Wir haben in den letzten Jahren Millionenbeträge in die Nachhaltigkeit und die Kreislaufwirtschaft investiert.»

Die Jungen fordern von Unternehmen, dass auch sie aktiv werden, wenn es um Massnahmen zur Kreislaufwirtschaft geht. Wie nehmen Sie das wahr?
Wir schwatzen nicht über Kreislaufwirtschaft, wir setzen sie um. Und das in einem deutlichen Ausmass. Wir haben in den letzten Jahren an den Standorten Uzwil, Sennwald und jetzt Mörschwil Millionenbeträge in die Nachhaltigkeit und die Kreislaufwirtschaft investiert. Weil wir daran glauben.

Wenn nicht die aktuelle Klimadiskussion, was gab den Anstoss dazu?
Heute werden fast keine Strassen mehr neu gebaut. Es gibt praktisch nur noch Sanierungen. Das heisst, wir müssen alte Beläge abbrechen. Und hier kommt schon der Haken: Wir bekommen 100 Prozent Abbruchmaterial und können nur 60 Prozent wiederverwenden. Schweizweit, sogar europaweit, gibt es Millionen Tonnen überschüssigen Altasphalts. Alle überlegen, was man machen könnte. Man muss sich bewusst sein, das ist unglaublich wertvolles Material. Es hat Strassensplitt drin, Strassenbitumen, und das soll man wegwerfen?
Dazu kommt, die MOAG gehört den Strassenbaufirmen. So ist es an uns, unseren Aktionären Lösungen anzubieten. Wir müssen garantieren, dass sie den Ausbauasphalt zu uns bringen können. Folglich sind wir in der Pflicht, mit dem Material etwas Schlaues zu machen. Das ruft förmlich nach einer Kreislaufwirtschaft.

Die MOAG präsentiert eine Anlage – eine Innovation – dank der der Anteil Altasphalt in Strassenbelägen von 40 auf 80 Prozent erhöht werden kann. Wie ist das möglich?
Durch unsere grossen Investitionen. In die komplette neue Anlage in Mörschwil, bestehend aus Brecher, Mischer und automatisierter Peripherie, investierten wir fast 13 Millionen Franken.

Was genau passiert nun mit dem alten Asphalt?
Wie bei einem herkömmlichen Brecher wird auch in der neuen Anlage das Material in verschiedene Korngrössen zerkleinert. Unser Brecher reinigt das Material aber zusätzlich vom Bitumen ab und sortiert sie, sodass die Steine am Schluss so gut wie neu sind. Sie sind gleichwertig wie frisches Material und können als Skundärrohstoff dem neuen Mischgut beigefügt werden.
Das ist aber nur der eine Teil. Hinzu kommt, dass wir das aufbereitete Material automatisiert über Förderbänder wieder dem neuen Mischgut zufügen können, ohne dass wir 17 Pneulader und 24 Mitarbeiter brauchen. Die wirkliche Einzigartigkeit ist diese Verknüpfung. Es ist einfach von A bis Z eine gefreute Sache.

Wie ist es möglich, dass Sie so eine Recyclingquote von 80 Prozent erreichen können?
Man muss differenzieren: 80 Prozent können wir dann beimischen, wenn der alte Asphalt aufbereitet wurde und dadurch gleichwertig wie neues Material ist. Der Anteil herkömmlichen Recyclingmaterials bleibt bei maximal 60 Prozent. Wir aber können weitere 20 Prozent von unserem selbst gewonnenen Sekundärrohstoff hinzufügen.

Ergeben die Investitionen auch wirtschaftlich Sinn?
Hier sprechen Sie etwas ganz Wichtiges an. Die ökologische Nachhaltigkeit ist uns natürlich wichtig, aber wir können sie erst dann erreichen, wenn wir die wirtschaftliche Nachhaltigkeit haben. Sie ist die Grundvoraussetzung. Ich finde das selbstverständlich. Schliesslich wollen wir Gewinn erwirtschaften, damit wir in drei bis fünf Jahren vielleicht wieder investieren können. Nachhaltigkeit kostet viel Geld. Und dieses Geld müssen wir – im Gegensatz zum Staat – selber verdienen.

Zur Person

Markus Blum ist seit dem Jahr 2000 Geschäftsführer der MOAG Baustoffe AG. Er hat an der Fachhochschule Konstanz Bauingenieurwesen studiert und danach in verschiedenen Strassenbaufirmen gearbeitet. Markus Blum ist im Vorstand von asphaltsuisse, dem Schweizerischen Fachverband für die Asphaltindustrie. Er wohnt mit seiner Frau in Mörschwil und hat zwei erwachsene Kinder.

Ist das Mischgut mit hohem Recyclinganteil also gleich wirtschaftlich wie herkömmlicher Asphalt?
Das Produkt selber können wir mit dem bestehenden Ausbruchasphalt vielleicht etwas kostengünstiger produzieren. Aber wenn wir die Investitionen einrechnen, sind die Produkte, die wir mit der neuen Anlage herstellen, gleich rentabel, wie die, die wir vor zehn Jahren produziert haben.

Die Qualitätsansprüche an Schweizer Strassen sind hoch. Macht man mit Recyclingasphalt keine Abstriche?
Wir müssen natürlich die Normwerte erfüllen, ob Recyclingmaterial beigemischt wird oder nicht. Den Besteller interessiert das nicht. Er will ein qualitativ hochstehendes Produkt. Wie wir das produzieren, ist ihm egal. Er hat zehn bis zwölf Werte, die er überprüft. Und wenn die stimmen, ist es für ihn okay.

Die heutige Belagsnorm der Schweizerischen Normen-Vereinigung schreibt vor, wie viel Recyclingmaterial in neuen Strassenbelägen verwendet werden darf: bei Tragschichten maximal 60 Prozent, bei Binderschichten 30 Prozent und in Deckschichten 0 bis 20 Prozent. Entspricht das dem heute Machbaren?
Machbar ist mehr. Bei den Tragschichten sind 60 Prozent okay, bei den Binderschichten könnte man den Anteil problemlos auf 50 Prozent erhöhen. Bei Deckschichten mit normalen Anforderungen könnte man ebenfalls bis 50 Prozent beimischen und bei Spezialdeckschichten bis 30 Prozent. Man weiss aus jahrelanger Erfahrung, dass man viel mehr könnte, als die Norm eigentlich zulässt. Ohne Abstriche in Sachen Qualität oder Langlebigkeit der Beläge.

Damit sagen Sie, dass die Normen dem effektiv Sinnvollen und Möglichen hinterherhinken?
Ja, das ist so. Aber da tut sich einiges. Wir Unternehmen kommen mit unserem Anliegen so langsam durch.

Was müsste aus Ihrer Sicht auf politischer Ebene passieren, damit eine Kreislaufwirtschaft im Bereich Strassenbau möglich würde?
Ganz einfach: Die Aufträge müssten entsprechend ausgeschrieben werden, und die Vorgaben zum Recycling müssten in die Beurteilungen einfliessen, die schlussendlich zum Auftrag führen. Ich meine damit, es müsste am Schluss derjenige den Auftrag erhalten, der am meisten Kreislaufwirtschaft sicherstellt. Heute läuft es leider meist so, dass einfach der billigste Anbieter gewinnt.

Wo würden Sie den Hebel am ehesten ansetzen, um das zu ändern?
Die Infrastruktur ist eine öffentliche Angelegenheit, das heisst, hier stehen die Gemeinden, Kantone und der Bund in der Pflicht. Die Beamtenwelt ist leider eine eher träge Welt.

Heisst das, dass es an der Bereitschaft der Stadtplaner:innen, Ingenieur:innen und Bauherrschaften fehlt, die neuen Lösungen vermehrt einzusetzen?
Eben genau hier liegt der Hund begraben.

Wie leistet die MOAG Überzeugungsarbeit?
Wir haben unsere Magazin, «der asphaltprofi», und thematisieren die Kreislaufwirtschaft dort. Wir haben bei der MOAG zudem ein Herbstseminar, zu dem wir Verantwortliche aus allen Bereichen einladen und ihnen aufzeigen, was alles möglich ist. Wir versuchen zudem, unser Anliegen in persönlichen Gesprächen einzubringen.

2021 hat die MOAG im Werk Mörschwil 165’800 Tonnen Mischgut produziert und darin 78’400 Tonnen Altasphalt aufbereitet. Das sind 47 Prozent Recyclingmaterial. Wie sieht dieser Anteil in Zukunft aus?
Wir haben bereits angefangen, den Anteil sukzessive zu erhöhen. Für 2022 ist unser Ziel, den Recyclinganteil auf 60 bis 65 Prozent anzuheben, 2023 möchten wir bereits 70 bis 80 Prozent erreichen.

Werden unsere Strassen irgendwann zu 100 Prozent aus Recyclingasphalt bestehen?
Mit unserer neuen Anlage können wir ganz nah daran herankommen. Ich denke, dass wir in Mörschwil irgendwann nur noch 5 bis 10 Prozent Neumaterial brauchen. Wer weiss, vielleicht haben wir plötzlich zu wenig Ausbauasphalt. Einen kleinen Anteil frisches Bitumen wird es aber auch in Zukunft brauchen, damit wir die Elastizität erreichen, die wir in den Strassenbelägen brauchen. Spannend wird es ab 2050, wenn die Welt ölfrei ist. Vielleicht wird es bis dann synthetische Alternativen zum Bindemittel Bitumen geben. Auch der nächsten Generation werden die Themen nicht ausgehen.

Was denken Sie, wenn die heute 20-Jährigen einmal 50 sind, wie sieht die Welt dann aus?
Ich hoffe sehr, dass ein grosser Anteil der heute 20-Jährigen im Verlauf ihres Lebens merken wird, dass die ökologische Nachhaltigkeit ohne finanzielle Überlegungen nicht zu meistern ist.

Können Sie die heutigen Jungen verstehen, wenn sie sich in der Klimadiskussion engagieren?
Ja, natürlich. Das ist das Recht der Jugend. Es ist wichtig. Und auch was die Technologie bietet, müssen wir ausnutzen und anwenden. Gerade hier werden bis in 30 Jahren noch einige neue Lösungen kommen, da bin ich überzeugt.

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