«Die Branche muss attraktiver werden»

Man kann hinhören, wo man will: Gut ausgebildete Fachkräfte sind rar. 2019 hat der Fachkräftemangel in der Schweiz nochmals zugenommen. Auch in der Baubranche. Wie schaffen es die Bauunternehmer, die richtigen Mitarbeitenden zu finden? Und wie, sie längerfristig zu binden? Wir haben zwei Vertretern den Puls gefühlt.

Text: Sibylle Jung

«Wir sind derzeit in der glücklichen Lage, eine, was Fachkräfte und Alter anbelangt, gut durchmischte Belegschaft zu haben. Es bleibt allerdings eine Tatsache, dass gutes Personal rar geworden ist. Viele junge Berufsleute absolvieren nach der ersten Ausbildung in einem Bauberuf eine zweite, baufremde Ausbildung. Zudem gibt es Fachkräfte, die sich nach ein paar Jahren auf dem Bau beruflich verändern möchten. Der Fachkräftemangel zieht sich über alle Stufen hinweg. Wir haben diese Entwicklungen früh erkannt und investieren seit mehre-ren Jahren gezielt in die Nachwuchsförderung und Weiterbildung von jungen Berufsleuten. Parallel dazu achten wir darauf, dass wir attraktive Arbeitsplätze mit ebensolchen Perspektiven bieten. Wir setzen auf breite Diversifizierung, Innovation und stetige Weiterentwicklung. Potenzielle Bewerber sollten in unser dynamisches Team passen, ein hohes Qualitätsbewusstsein mitbringen und gewillt sein, sich beruflich weiterzuentwickeln und Verantwortung zu übernehmen. Die Freude an der Arbeit und am Beruf ist dabei zentral. Wir pflegen eine offene Kommunikation, eine konstruktive Fehlerkultur und setzen auf aktive Mitarbeitergespräche sowie zahl­reiche Aus- und Weiterbildungsmöglich­keiten. Nichtsdestotrotz gibt es auch bei uns Wechsel. Das gehört dazu und bringt – vorausgesetzt, die Fluktuationsrate ist nicht allzu hoch – auch Vorteile. Obwohl wir gut aufgestellt sind und auch kurzfristig unkompliziert Anpassungen in den Gruppen und auf Baustellen vornehmen können, kann es zu Engpässen kommen. Diese überbrücken wir durch Einmieten von Personal aus anderen Unternehmungen oder mit Temporärmitarbeitenden, die wir via Personaldienstleister akquirieren. Wenn ich beim Thema Fachkräfte an die Zukunft denke, geht es darum, noch mehr Fachleute auszubilden. Ausserdem muss die Branche attraktiver werden. Dabei geht es bei weitem um mehr als nur um den Lohn.»

«Wir begegnen unseren Mitarbeitenden mit Respekt, Wertschätzung und Zeit. Ist die Fachkompetenz noch so gross, ohne Sozialkompetenz kommt man nicht weiter.»

Hanno Foser, Foser AG, Balzers, Vorsitzender der Geschäftsleitung, Bereich Tief- und Strassenbau

«Herzblut, Teamgeist, Flexibilität und eine hohe Leistungsbereitschaft – diese Eigenschaften sollte mitbringen, wer bei uns im Team mitarbeiten möchte. Im Bereich Strassenbau haben wir aktuell wenig Vakanzen. Trotzdem sind wir immer auf der Suche nach guten Fachkräften – auf allen Stufen. Solche zeichnen sich einerseits durch eine gute Fachausbildung aus und andererseits durch Eigenschaften wie Integrität, Identifikation, Teamspirit und ein gutes Konfliktverhalten. Die meisten Anfragen erreichen uns via Bekanntschaften von bestehenden Mitarbeitern. Ein weiterer Teil sind Blindbewerbungen. Es gibt immer ein persönliches Vorstellungsgespräch. Solche führen wir konsequent nach dem Vier-Augen-Prinzip. Wer den Bewerbungsprozess positiv durchläuft, kann sich auf einen guten Teamgeist freuen, offene ­Türen auf allen Stufen, interessante Projekte und einen marktgerechten Lohn. Nebst der Rekru­tierung von ausgebildeten Fachkräften ist es uns auch wichtig, Lehrlinge auszubilden und sie nach der ­Lehre weiterzubeschäftigen. Hier ist einer unserer Schwerpunkte in Sachen Fachkräfteausbildung und -bindung. Ein zweiter ist, bei bestehenden Mitar­beitenden vermehrt auf die interne Weiterbildung zu setzen. Dies wird in Zukunft noch stärker der Fall sein. Grundsätzlich versuchen wir, alle Aufträge intern zu lösen – mit eigenen Mitarbeitenden, aus den eigenen Reihen wie auch aus anderen WALO-Abteilungen und -Regionen. Das gelingt uns meistens. Sollte es trotzdem einmal zu einem Personalengpass kommen, setzen wir auf Temporärmitarbeitende.»

«Bei den Mitarbeitenden geht es darum, das Potenzial der Rohdiamanten zu erkennen und sie so weiterzuentwickeln, dass jeder sinnvoll am richtigen Ort eingesetzt werden kann.»

Sandro Contratto, Walo Bertschinger AG, Dietikon, Leiter Profitcenter

Hanno Foser
und Sandro Contratto über …

Talentscouts

Hanno Foser: Bis dato waren wir bei Festanstellungen weder auf Talentscouts noch Headhunter angewiesen; wir haben alle selbst rekrutiert.

Sandro Contratto: Das sind wir selber, z.B. bei Temporärmitarbeitenden. Es ist schon vorgekommen, dass wir einen definitiven Vertrag anboten.

Candidate Centricity

Hanno Foser: Wir suchen eine qualifizierte Persönlichkeit für unsere Firma und nicht umgekehrt. Selbstverständlich nimmt der Kandidat während des Einstellungsprozesses eine zentrale Position ein. Am Ende des Gesprächs muss es
jedoch für beide Seiten stimmen.

Sandro Contratto: Dieser Trend ist bei uns (noch) nicht angekommen. Wir setzen auf den klassischen Prozess.

Social Media als (kostengünstige) Variante der Personalrekrutierung

Hanno Foser: Als Firma sind wir auf keinem Social-Media-Kanal präsent;
dafür einige unserer Mitarbeitenden. Wir machen gute Erfahrungen.

Sandro Contratto: Social Media hat bei den Stellenausschreibungen in letzter Zeit sicherlich an Gewicht gewonnen. Wichtig ist, dass wir auch die U30-Jährigen ansprechen. Und diese bewegen sich kaum mehr auf bekannten Plattformen wie Facebook oder LinkedIn.

Digitale Vorstellungsgespräche

Hanno Foser: Kein Vorstellungsgespräch, ohne dass der Kandidat mir an einem TIsch gegenüber sitzt.

Sandro Contratto: Wir bevorzugen eindeutig den persönlichen Kontakt.

Psychologische Testverfahren

Hanno Foser: Für uns sind solche Verfahren kein Thema. Im Zentrum für eine vertrauenswürdige Zusammenarbeit steht das persönliche Gespräch.

Sandro Contratto: In meinem Verantwortungsbereich habe ich noch kein solches Verfahren durchführen müssen.

Künstliche Intelligenz im Bewerbungsprozess

Hanno Foser: Sobald bei uns im Unternehmen künstliche Intelligenz im Bewerbungsprozess Einzug hält, müsste ich diesen Bereich an andere Kader-
personen abgeben.

Sandro Contratto: Wir setzen auf menschliche Intelligenz und den gesunden Menschenverstand.

Chatbots, die als erste Instanz mit potenziellen ­Bewerbern reden

Hanno Foser: Ich empfinde solche Roboter als sehr unpersönlich. Ich bevorzuge das direkte Gespräch von Anfang an.

Sandro Contratto: Ein Computer, der mit möglichen Mitarbeitenden «redet», war glücklicherweise bisher noch nie ein

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