Family Business

«Ich will bauen, realisieren, erschaffen»

In unserer Serie «Family Business» fühlen wir Inhaberinnen und Inhabern von Bauunternehmen den Puls. Die interviewte Person bestimmt jeweils, wer als Nächstes an die Reihe kommt, und stellt auch gleich die erste Frage. In dieser Ausgabe befragen wir Philipp Baumgartner, Geschäfts­führer der Gebr. Hilti AG und Schwiegersohn von Patron Kaspar Hilti. Er wurde von Beat Foser nominiert.

Philipp Baumgartner, *1975, ist im St.Galler Rheintal aufgewachsen und hatte durch seine Liechtensteiner Mutter bereits als Kind einen besonderen Bezug zum «Ländle». Nachdem er im Jahr 2000 sein Bauingenieurstudium mit Fachrichtung Strassenbau/Tiefbau abgeschlossen hatte, absolvierte er zwischen 2006 und 2008 ein Wirtschaftsstudium an der Universität Liechtenstein. Seine berufliche Laufbahn begann er in einem Ingenieurbüro in Vaduz, wo er auch seine heutige Frau kennenlernte, Marion Hilti-Baumgartner. 2009 trat er ins Familienunternehmen ein. «Mein Herz schlägt auch heute noch für den Bau», sagt der Ingenieur. Denn das Reizvollste an seinem Beruf sei das perfekte Zusammenspiel von Bewegung, Menschen, Maschinen und Gerätschaften.

Er sei manchmal ein Tüpflischisser, sagt Philipp Baumgartner über sich selbst. Er sei aber auch bescheiden. Und vor allem sozial. Auffallend jung, fit und aufgeweckt wirkt der 49-Jährige beim Interview. Spontan und offen antwortet er auf die mitunter recht persönlichen Fragen. Im Gespräch drückt auch wiederholt sein versteckter Humor durch. Während einer guten Stunde erfahren wir viel über diesen Mann. Unter anderem, warum er noch heute tief beeindruckt von der Leistung seiner Mitarbeitenden ist – und warum er sich lieber in die zweite Reihe stellt als in die erste.

Philipp Baumgartner, wir starten mit der Frage von Beat Foser: Was wird in Zukunft die grösste Herausforderung für Bauunternehmen sein?

Die Nachhaltigkeit. Wir müssen die Kreislaufwirtschaft fördern und auf nachhaltige regionale Baustoffe in Kombination mit neuen Technologien setzen. Unser Ziel soll sein, Ressourcen zu schonen und hochwertig zu bauen. Und wir alle müssen uns daran beteiligen.

Wie sind Sie zum ersten Mal mit der Gebr. Hilti AG in Kontakt gekommen?

Ich war als Bauingenieur in einem Liechtensteiner Büro tätig und hatte die Leitung in einem Strassenbauprojekt in Schaan. Kaspar Hilti kam auf die Baustelle, und als er erfuhr, wer mein Vater war – der damals ebenfalls in einem Bauunternehmen arbeitete –, sagte er: «Wenn du nur halb so gut wie dein Vater bist, dann ist es gut.» 

Seine Tochter Marion haben Sie aber erst später kennengelernt?

Ja. Dies hatte nichts mit der Arbeit zu tun. Sie machte in der Zeit ein Praktikum in Vaduz. Und ich sah sie in einer Woche gleich dreimal morgens auf demselben Zebrastreifen, als ich vorüberfuhr. Da dachte ich: Das kann ja kein Zufall sein. Einige behaupten, ich sei damals extra jeden Morgen eine Weile rund um den Kreisel gefahren, um sie zu sehen. Nun sind wir seit 20 Jahren zusammen.

Sie sind Bauingenieur. Wie kam es, dass Sie sich für das traditionelle Baugeschäft entschieden haben?

Das eine führte zum anderen. Durch meine Frau kam ich in die Familie
Hilti. So stellte sich schon bald die Frage, ob ich im Familienunternehmen mitarbeiten möchte. Da mir mein Job aber sehr gefiel, sagte ich vorerst ab. Als dann später die Position als Abteilungsleiter Tiefbau frei wurde, über­legte ich es mir nochmals neu. Die Aussicht auf eine neue Aufgabe und Position reizte mich.

Fiel Ihnen der Wechsel leicht?

Anfänglich hatte ich grossen Respekt vor dieser Aufgabe. Ausserdem hatte ich meinen Vater im Ohr, der immer sagte: «Geh nie in eine Baufirma. Dort geht es immer um Preise und Termine.» Das stimmt sogar. Der Margendruck ist heute sogar grösser als damals. Die Frage ist nur, wie man damit umgeht. Ich habe den Eintritt in das Unternehmen nicht bereut.

Was fasziniert Sie an der Baubranche?

Ihre Dynamik. Damit meine ich das Zusammenspiel aller Beteiligten. Wenn ich sehe, wie unsere Teams auf den Baustellen am Werk sind, begeistert mich das.

Sie haben ins Unternehmen «eingeheiratet». Wie wohl fühlen Sie sich als Familienmitglied?

Ich bin herzlich aufgenommen worden, und ich fühle mich sehr wohl. Das hat viel damit zu tun, wie wir miteinander umgehen: offen und respektvoll. Das ist matchentscheidend. Das Unternehmen wird wahrscheinlich irgendwann einmal von meinem Schwiegervater an meine Frau und ihre Schwester übergehen. Mir wird es nie gehören, was mich aber nicht stört. Ich behandle es, als wärs meins.

Ist das Geschäft zu Hause am Familientisch ein Thema?

Beim Essen versuchen wir, es so gut wie möglich zu vermeiden. Aber wenn ich abends heimkomme, führen wir oft ein Feierabendgespräch, bei dem wir auch geschäftliche Belange diskutieren. Meine Frau ist ja ebenfalls im Unternehmen tätig, und sie ist im Verwaltungsrat.

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Wenn morgens um sieben die tannengrünen Firmenfahrzeuge in einer Kolonne durchs Schaaner Dorfzentrum fahren, wird klar, warum sich diese Baufirma auch «die Grünen» nennt. Die Bezeichnung differenziert sie zudem von «den Roten», den Hiltis von der bekannten Befestigungsfirma. Das Bürogebäude auf dem Firmengelände ist ein kleines, mit Efeu überwachsenes Holzhäuschen. Nichts macht den Anschein, dass hier ein Unternehmen mit 175 Mitarbeitenden zu Hause ist. Die Gebr. Hilti AG hat eine beeindruckende 148-jährige Geschichte. Neben dem Ersten Weltkrieg und der Inflation in den 1920er-Jahren geschah einer der wohl grössten Einschnitte 1927, als der Rheindamm brach und die Firma aufgrund der Überschwemmung ihr gesamtes Inventar verlor. Heute ist das Unternehmen im Besitz von Patron Kaspar Hilti. Seine beiden Töchter Marion und Christina sind Mitglieder des Verwaltungsrats und ebenfalls aktiv im Unternehmen tätig.

Und wie sehr ist Marions Vater Kaspar noch im Unternehmen präsent?

Er ist unser Verwaltungsratspräsident und kommt jeden Tag ins Büro. Aus dem Tagesgeschäft hält er sich aber heraus. Manchmal fühlt es sich an, als sei er ein kreisender Adler, der von oben alles still beobachtet. Trotzdem fühle ich mich nicht wie der Hase auf dem Feld. Er lässt mich meine eigenen Entscheidungen fällen. Ich wünschte jedoch, ich hätte schon jetzt diesen Weitblick, den er hat.

Neben dem Baugeschäft gehört auch ein Kies- und Betonwerk und seit diesem Jahr sogar eine Holzbaufirma zu Ihrem Portfolio. Wie lassen sich all diese Geschäftszweige miteinander verbinden?

Sie lassen sich sehr gut verbinden. Die LG Bau AG in Werdenberg und die Legna holz.werk AG sind ja eigenständige Firmen mit einer eigenen Geschäfts­leitung. Wir sind in engem Austausch und nutzen die Synergien, wenn sie sich ergeben. Durch unser breites Angebot bieten sich uns und unseren Kunden viele Möglichkeiten.

Wie wichtig ist der Strassenbau innerhalb dieser Aufstellung?

Wenn ich das anhand der Anzahl Mitarbeitenden und anhand des Umsatzes beziffere, dann macht der Strassenbau/Tiefbau ungefähr ein Drittel unseres Arbeitsvolumens aus. Er ist also enorm wichtig. Und ich selbst habe eine besondere Beziehung dazu, denn ich hatte mich bereits in der Ausbildung für diese Fachrichtung entschieden.

Welche Art Chef sind Sie?

Ich bin eher ein ruhiger Typ. Das kommt mir in hitzigen Momenten zugute. Ich stehe nicht so gern im Rampenlicht. Ich habe Freude am Bauen, Realisieren, Erschaffen. Dafür tausche ich mich gern mit unseren Mitarbeitenden aus. Ich möchte mit ihnen so umgehen, wie ich selbst gern behandelt werde: respektvoll, ehrlich, korrekt.

In zwei Jahren feiert die Gebr. Hilti AG ihr 150-jähriges Bestehen. Wie wichtig ist die Firmengeschichte für die heutige Ausrichtung des Betriebs?

Enorm wichtig. Schliesslich gibt es regional kaum ein Unternehmen in der Branche, das so alt ist. Unsere Geschichte zeigt auf, wie wir als Familienbetrieb ticken: Wir leben unsere Werte! Man schaut aufeinander, in guten wie in schlechten Zeiten. Das spüren unsere Mitarbeitenden und Kunden. Unsere Geschichte schafft die besten Voraussetzungen, dass es noch lange so weitergehen kann.

Wie steht es um die nächste Hilti-­Generation?

Unsere beiden Söhne sind jetzt 10 und 14. Sie wären die sechste Generation. Sie kommen manchmal mit auf die Baustellen und sind bei Anlässen dabei. Ich bin aber kein Vater, der sie in eine Richtung pusht. Sie sollen das machen, was sie am meisten interessiert und ihnen Freude macht. Die Türen für eine Mitarbeit im Familienbetrieb stehen ihnen offen, sofern sie das wollen. Ja, es wäre schön, ich erwarte es aber absolut nicht!

Und Sie haben ja noch einige Jahre vor sich …

Nächstes Jahr werde ich 50. Doch ich fühle mich jung. Wie man so schön sagt: Viel frische Luft, Bewegung, eine gesunde Ernährung und genügend Schlaf, das hält fit. Zugegeben, die Realität sieht im Alltag manchmal anders aus. Trotzdem bin ich mir sicher: Diese Arbeit passt für mich noch lange, weil ich Spass daran habe und mir sage: Verliere nie den Humor!

Wer soll als Nächstes interviewt werden?

Arnold Frick, Geschäftsführer der Frickbau AG in Schaan.

Und welche Frage haben Sie an ihn?

Welche Technologien oder Innovationen werden deiner Ansicht nach den Strassenbau in den kommenden Jahren prägen?

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Fotos: Daniel Ospelt

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