Family Business

«Ich baue einfach gern»

In unserer Serie «Family Business» fühlen wir Inhabern von Bauunternehmen den Puls. Der Interviewte bestimmt jeweils seinen Nachfolger/ seine Nachfolgerin und stellt auch gleich die erste Frage. In dieser Ausgabe befragen wir Jürg Dietsche. Er wurde von Oliver Wellauer ausgewählt.

Jürg Dietsche, *1971, hat das Handwerk von der Pike auf gelernt. Als «bequemer Schüler», wie er sich selbst rückblickend bezeichnet, hat er sich erst zum Maurer, dann zum Strassenbauer, schliesslich zum Vorarbeiter und später zum Baumeister ausbilden lassen. Seine Sporen verdiente er sich unter anderem als Bauführer bei einem St. Galler Bauunternehmen ab, bevor er 1999 «auf Ruf» ins Familienunternehmen einstieg. Wenn er nicht in der Firma oder in einem seiner zahlreichen Ämtli engagiert ist, lüftet Jürg Dietsche seinen Kopf an der frischen Luft – wandernd oder auf dem Velo oder den Ski.J

Jürg Dietsche kann zu nichts Nein sagen. Das sei typisch für einen Dietsche. Genauso wie der Umstand, dass sie überall dabei sind. Ein anderes Merkmal ist die soziale Ader. Dieser Charakterzug zieht sich wie ein roter Faden durchs Gespräch und ist deshalb besonders erwähnenswert, weil es bei dem Tempo und der Intensität, mit denen Jürg Dietsche redet, auch untergehen könnte.

Jürg Dietsche, wir starten mit der Frage von Oliver Wellauer: Wo siehst du dich mit 66?

Lassen Sie mich kurz rechnen. Das ist im Jahr 2037 und damit kurz vor unserem 100-Jahre-Jubiläum. Da sehe ich mich absolut noch im Unternehmen; ich möchte das Jubiläum mitgestalten und dann – wie mein Vater und mein Grossvater davor – einen Fussabdruck im Unternehmen hinterlassen haben.

Und wie soll dieser Fussabdruck aussehen?

Mir ist wichtig, in meiner aktiven Zeit einen wesentlichen Beitrag geleistet zu haben. Unser Familienunternehmen soll bei der Übergabe grundsolide dastehen, sodass es die nächste Generation in eine weiterhin erfolgreiche Zukunft führen kann.

Wie wird man Sie in Erinnerung haben?

Als einen, bei dem es immer schnell gehen muss (lacht herzhaft). Ich bin ein Mensch, der sehr hohe Erwartungen an sich selbst hat und vom Ehrgeiz getrieben ist, besser als die anderen zu sein – das überträgt sich sicherlich auch auf die Mitarbeitenden, mit allen Vorund Nachteilen. Ich würde von mir behaupten, dass ich direkt, ehrlich und fair bin. Und dass ich immer ein offenes Ohr habe – auch für Themen, die nicht direkt mit der Firma zu tun haben.

Weshalb waren Sie sich so sicher, auf dem Bau arbeiten zu wollen?

Ich baue einfach gern. Das spürte ich schon als Jugendlicher, und die Leidenschaft ist bis heute geblieben. Ich liebe es immer noch, auf Baustellen zu wirken und wenn Not am Mann ist oder die Zeit es verlangt, auch selbst Hand anzulegen. All diese Arbeiten habe ich gelernt, und ich bin nach wie vor fit darin. Das ist auch wichtig, aus Respekt gegenüber dem Team und damit man den Bezug zur Basis nicht verliert.

Sie haben Ihren Onkel erwähnt. Welche Rolle hat er in respektive für Ihre Karriere gespielt und was haben Sie von ihm gelernt?

Mein Onkel, Peter Dietsche, war mein Ziehvater und – das darf ich sagen – auch mein grosses Vorbild. Ich habe sehr vieles von ihm gelernt, das ganze Unternehmertum zum Beispiel oder etwa, was es bedeutet, Vertrauen zu schenken und zu erhalten. Was ich ebenfalls von ihm gelernt habe, ist, genau hinzuschauen sowie hinzuhören und ein Gespür für die unausgesprochenen Sachen zu entwickeln. Wenn etwas im Raum steht, sollte es weggeschafft werden, egal, wie gross das Thema ist.

«Wir werden weiterempfohlen» – so der selbstbewusste Claim der Dietsche Strassenbau AG mit Standorten in Kriessern und Rüthi. Das Unternehmen, das diesen Claim gleichzeitig als Anspruch nimmt, täglich Höchstleistungen zu erbringen, wurde 1942 von Hugo Dietsche gegründet und wird heute in dritter Generation von Jürg Dietsche und seinem Bruder Daniel Dietsche geführt. Das Unternehmen beschäftigt rund 50 Mitarbeitende und legt besonderen Wert auf die Lehrlingsausbildung.

Wenn man im Rheintal unterwegs ist, sieht man überall die Farben Orange und Weiss mit Dietsche-Schriftzug. Was bedeutet es, wenn man so heisst wie die Firma und umgekehrt? Oder anders gefragt: Ist es Fluch oder Segen, ein Dietsche zu sein?
Beides. Als Dietsche wird man an viele Orte eingeladen; die Leute kennen einen – das hat Vorteile. Der Nachteil ist, dass sehr vieles an die Firma gebunden ist – Zeit, Geld…

Stichwort Familie. Sie haben zwei Töchter. Stehen diese in den Startlöchern für Ihre Nachfolge?
Nein, gar nicht. Meine Töchter haben eine komplett andere Vorstellung von der Berufswahl als ich.

Unabhängig davon, wer Ihre Nachfolge antritt – was sollte er oder sie mitbringen?
Entscheidend sind Qualitätsdenken, Termintreue, Verlässlichkeit und der eingangs erwähnte Ehrgeiz respektive Wille, besser sein und mehr leisten zu wollen als andere. Diese Dinge sollte die Person auf jeden Fall gross schreiben.

Wer soll als Nächstes interviewt werden?
Chiara De Zanet.

Und welche Frage haben Sie an sie?
Welchen Fussabdruck möchten Sie im Unternehmen hinterlassen?

 

Herzlichen Dank für das Gespräch.

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