Wegwerfen ist out, Secondhand- und Tauschbörsen sind in. Junge Erwachsene machen sich Sorgen um den Zustand der Welt. Und sie repräsentieren eine neue Konsumentengruppe, die Produzenten ihre Grenzen aufzeigt und sie in die Pflicht nimmt. Auch die Baubranche spürt den Wandel. Über Urban-Mining-Prinzipien, Caterpillar-Momente und echten wirtschaftlichen Nutzen.
«Junge Menschen werden die Zukunft auf Unternehmensebene entscheidend mitgestalten.»
Johanna Gollnhofer, Professorin am Insitut für Marketing und Consumer Insight, Universität St.Gallen
Man nennt sie Generation Z, die zwischen 1996 und 2012 Geborenen, die jetzt zwischen 10 und 26 Jahre alt sind. Sie werden aktuell eingehend erforscht, denn schliesslich sind sie die Kaufkräftigen von morgen. Was sie charakterisiert: Sie sind stets online, und sie sind politischer als ihre Vorgeneration. Sie wollen höchste Flexibilität, wenn es ums Arbeiten geht, und Geld ist ihnen nicht so wichtig.
Umso bestimmender in ihrem Alltag sind persönliche Werte. Sie sorgen sich um den ökologischen Zustand der Welt und interessieren sich für nachhaltige Themen: «Sie schreiten schnell zur Tat», sagt Professorin Johanna Gollnhofer vom Institut für Marketing und Customer Insight an der Universität St.Gallen. «Zwar sieht man den Trend zum nachhaltigen Konsum nicht mehr nur bei den Jungen. Auch von den über 50-Jährigen kauft über die Hälfte sehr bewusst ein», sagt die Konsumentenforscherin. «Die ganz Jungen aber pushen stärker.»
Von der Nachhaltigkeit zur Kreislaufwirtschaft
Haben erst Nahrungsmittel überwogen, ist der Trend für mehr Nachhaltigkeit in den letzten Jahren auf die komplette Konsumgüterindustrie übergeschwappt: Elektronik, Kosmetik, Kleidung – überall strengen sich Hersteller an, nachhaltigere Produkte auf den Markt zu bringen. Die Konsument:innen beobachten auch Dienstleister, Bauunternehmen und Infrastrukturanbieter genau – komplette Wertschöpfungsketten stehen im Fokus, wenn es um Kaufentscheide geht.
Den Lebenszyklus verlängern
Ein Vorzeigeunternehmen im Bereich der Kreislaufwirtschaft ist der Baumaschinenhersteller Caterpillar. Gemäss eigenen Angaben des US-amerikanischen Unternehmens landen fast 90 Prozent seiner Baumaschinen nach Ablauf des Lebenszyklus wieder in den eigenen Werken, wo sie auseinandergeschraubt, Teil für Teil überholt und mit neuen Komponenten versehen werden. So wird ein Grossteil des Altmaterials wiederverwendet, noch bevor es in einen aufwendigen Recyclingprozess gelangt.
Der im Dezember 2021 publizierte «Statusbericht der Schweizer Kreislaufwirtschaft» zeigt auf, dass sich hierzulande noch nicht so viele Unternehmen in diese Richtung weiterentwickeln. Gemäss der Studie, die Forscher:innen der Berner Fachhochschule in Zusammenarbeit mit der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich durchführten, haben hierzulande erst 10 Prozent der Unternehmen substanziell Massnahmen ergriffen, um die Kreislaufwirtschaft auf Unternehmensebene umzusetzen. Die von diesen Unternehmen eingeführten Massnahmen reichen vom Einkauf einer Infrastruktur mit langer Lebensdauer über den Wiederverkauf von nicht mehr genutzten Materialien, der Verlängerung der Produktlebensdauer bis hin zu verbesserten Reparaturserviceleistungen. «Die Transformation hin zur Kreislaufwirtschaft ist für Unternehmen ein länger dauernder Prozess», sagt Professor Tobias Stucki, Co-Leiter des Instituts Sustainable Business an der Berner Fachhochschule. «Für ein Start-up ist es einfacher. Es kann von Anfang an ein Geschäftsmodell aufbauen, das auf einer Kreislaufwirtschaft beruht. Etablierte Unternehmen müssen bestehende Prozesse, Produkte und Organisationen verändern, was unter Umständen ein langwieriger Prozess sein kann.»
Bauabfälle werden zu neuen Baustoffen
Und doch gebe es Leuchttürme. Als ein solches Unternehmen nennt Stucki die Eberhard Unternehmungen mit Hauptsitz in Kloten ZH. Das Bauunternehmen hat bereits vor 40 Jahren begonnen, sich in Richtung Kreislaufwirtschaft nach dem Urban-Mining-Prinzip zu entwickeln. Es hat damals die erste stationäre Anlage für die Aufbereitung von Bauabfällen in Betrieb genommen. Mittlerweile kann Eberhard Baustoffe aus dem Rückbau von Gebäuden praktisch zu 100 Prozent wiederverwenden.
«Solche Unternehmen sind enorm wichtig, um eine Branche voranzubringen», sagt Stucki. Denn der Umstieg ist nicht ohne Kosten zu bewerkstelligen. «Es ist in erster Linie eine Frage der Innovationsleistung. Man muss in grösseren Dimensionen denken, interne Prozesse neu definieren und mit Firmen über die eigene Branche hinaus zusammenarbeiten. Es ist ein Konzept, an das sich ein Unternehmen Schritt für Schritt herantasten muss. Und das geht nicht von heute auf morgen.» Umso wichtiger sei es, dass es solche Vorreiter gebe, die zeigen das es möglich ist.
«Irgendwann werden Unternehmen, die sich nicht zirkulärer ausrichten, ihre Produkte nicht mehr verkaufen können.»
Tobias Stucki, Professor am Institut für Sustainable Business, Berner Fachhochschule
Es lohnt sich auch finanziell
Stucki ist überzeugt, wer in die Kreislaufwirtschaft investiert, hat langfristig auch einen wirtschaftlichen Nutzen: «Einerseits geht es um eine effiziente Ressourcennutzung. Und mit einer solchen lassen sich Kosten sparen. Dazu kommt, dass sowohl der politische als auch der Druck von Verbraucher:innen steigen wird. Irgendwann werden Unternehmen, die sich nicht zirkulär ausrichten, ihre Produkte nicht mehr verkaufen können.»
Johanna Gollnhofer von der Universität St.Gallen macht noch einen weiteren Aspekt geltend: «Die persönlichen Werte der Konsument:innen fliessen schon jetzt in die Unternehmen ein. Denn überall arbeiten Menschen, die ihre Überzeugungen mit an den Arbeitsplatz bringen. Sie fördern die Kreislaufwirtschaft als Mitarbeitende, im Einkauf, in der Produktion, im Vertrieb. Gerade junge Menschen werden so die Zukunft auf Unternehmensebene entscheidend mitgestalten.»
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