Mobilität

Brücken erfolgreich instand halten

Mit einem gigantischen, 500 Milliarden Euro schweren Finanzierungs­paket will Deutschland seine Infrastruktur auf Vordermann bringen. Der schlechte Zustand von Schienennetz und Strassen und ins­besondere marode Brücken sind der Auslöser dafür. Auch bei uns sind viele Brücken deutlich über 50 Jahre alt. Unsere Umfrage zeigt jedoch, dass die 
Instandhaltung in der Ostschweiz vorbildlich läuft.

Hügel, Berge, Täler und Gewässer: Die abwechslungsreiche Topografie der Schweiz führt dazu, dass viele Brücken zu unseren Verkehrswegen gehören. Mehr als 40’000 sind es insgesamt, wenn man neben den Strassenbrücken auch diejenigen für Eisenbahnen, Velofahrende und Fussgänger mitzählt. Betrachtet man ausschliesslich die Strassenbrücken, sind es rund 10’000. Für 4400 davon ist das ASTRA auf nationaler Ebene zuständig, um die anderen kümmern sich Kantone und Gemeinden.

Ein Grossteil unserer Brücken ist im Zuge der Ausbauten von Strassen­verbindungen in den 1950ern und 1960ern entstanden. Ihre übliche Nutzungsdauer beträgt 90 bis 100 Jahre. «Doch über die Hälfte sind bereits älter als 60-jährig», berichtete Jürg Röthlisberger, Direktor des Bundesamts für Strassen (ASTRA), in der vergangenen Ausgabe von der asphaltprofi. Er nannte diese Tatsache als Thema, das ihn sehr beschäftigt und wies darauf hin, dass das ASTRA gemeinsam mit Fachleuten aus der Privatwirtschaft in die Forschung investiert, um daraus die wirkungsvollsten Massnahmen in Bezug auf den Brückenbau und die Erhaltung der bestehenden Bauwerke ableiten zu können.

Zu den laufenden Projekten gehören Untersuchungen zu Last- und Widerstandsmodellen, zudem werden realistischere Modelle zur besseren Abschätzung des Rest-Ermüdungswiderstands von bestehenden Bauteilen der Brücken wie der Fahrbahnplatte ermittelt. Dank dieser Anhaltspunkte erkennen die Fachleute frühzeitig, welche Verstärkungen wann nötig sind – oder eben nicht. Im Fokus stehen die vorhandenen Reserven der Konstruktionen und weitere Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit die sichere Nutzung weiterhin möglich ist. Andere Studien am Nationalstrassennetz betreffen das Bau­material Stahlbeton und dessen Dauerhaftigkeit. «Erwähnenswert sind auch die zahlreichen kleineren Pilotprojekte, die den Transfer der Forschungsergebnisse in die Praxis sicherstellen», teilt die Medienstelle des ASTRA auf Anfrage mit.

Wasser als grösster Feind

Eine der Fachpersonen, die sich mit den alltäglichen Aufgaben im Bereich Brückenbau bestens auskennen, ist Philipp Gerster. Der Ingenieur aus St.Gallen hat sich auf die Instandhaltung und Instandsetzung von Brücken in der Ostschweiz spezialisiert. Diese Projekte setzt er im Auftrag seines Arbeitgebers, der Wälli AG Ingenieure, um. «Mit den passenden Massnahmen zum optimalen Zeitpunkt ist es möglich, die Nutzungsdauer einer Brücke auf bis zu 150 Jahre auszuweiten», erklärt er. Konkret geht es darum, die Brücken regelmässig zu sichten und zu überwachen. Das Team um Philipp Gerster führt solche Kontrollen etwa alle fünf Jahre durch und erfasst Schäden. Der Ingenieur bezeichnet den allgemeinen Zustand der Brücken in unserer Gegend als annehmbar bis gut. Dies betrifft auch die älteren Exemplare. Auch sie seien auffallend solid, denn bereits Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts habe man robuste Materialien wie Beton oder Stahl für den Brückenbau verwendet. «Allerdings hat sich das Verkehrsaufkommen in der Zwischenzeit vervielfacht», räumt er ein. «Seit es Autos und den Schwer­verkehr gibt, werden die Brücken weitaus stärker beansprucht, und das setzt ihnen zu.»

«Mit den passenden Massnahmen zum optimalen Zeitpunkt ist es möglich, die Nutzungsdauer einer Brücke auf bis zu 150 Jahre auszuweiten.»

Philipp Gerster macht deutlich, dass die Langlebigkeit von Brücken stets von verschiedenen Faktoren abhängt. Er führt das Tragwerk, die Ausführung und deren Qualitätssicherung sowie die Art und Häufigkeit der Nutzung auf. Die geografische und klimatische Lage des Bauwerks sind laut Philipp Gerster ebenfalls entscheidend, und auch die Witterung ist ein Faktor, der nicht ausser Acht gelassen werden darf. «Der grösste Feind einer Brücke ist das Wasser, vor allem, wenn es in Kombination mit Taumitteln auftritt», sagt der Ingenieur. «Um dieses von der Tragkonstruktion fernzuhalten, ist es wichtig, die Brücken gut abzudichten.» Hierfür empfiehlt Philipp Gerster neben der Abdichtung in der Regel einen Belag aus Guss­asphalt.

Mehr Komfort, weniger Lärm

Die zentrale Bedeutung der Asphaltierung von Brücken kommt auch in einer Umfrage bei den kantonalen Tiefbauämtern zur Geltung. Erwähnt werden die gültigen Normen, insbesondere die Norm VSS 40 450, die von Abdichtungssystemen und bitumenhaltigen Schichten auf Brücken mit Fahrbahnplatten aus Beton handelt. «Diese Werte sind für uns eine wichtige Projektierungsgrundlage», sagt Urs Kast vom Tiefbauamt des Kantons Appenzell Ausserrhoden. Er weist aber auch darauf hin, dass ein Standardaufbau eines Brückenbelags nicht definiert werden kann, denn die objektspezi­fischen Gegebenheiten seien überall unterschiedlich.

Neben den geltenden Vorgaben wird in den Antworten zudem mehrfach die Dauerhaftigkeit genannt, also die Dichte und die Standfestigkeit des Materials, das neu zum Einsatz kommt. «In der Regel verwenden wir bei grösseren Brücken einen dreischichtigen Guss­asphaltbelag», erklärt Oliver Bettschen vom Tiefbauamt des Kantons St.Gallen. Grundsätzlich werde, sofern eine Abdichtung vorhanden ist, immer eine Schutzschicht aus Gussasphalt ein­gebaut. Die Binder- und die Deckschicht können auch mit Walzasphalt erstellt werden. «Dies ist zum Beispiel bei kleineren Objekten der Fall oder überall dort, wo es aus Gründen des Fahrkomforts und der Lärmthematik sinnvoll ist.»

Übersicht über Ostschweizer Kantone, Kantonsstrassen und damit verbundene Kunstbauten

Appenzell Innerrhoden
Sanierungen grösstenteils abgeschlossen

Im Kanton Appenzell Innerrhoden, dessen Landesbauamt für die vergleichsweise überschaubare Anzahl von 17 grösseren Brücken zuständig ist, spürt man derzeit keinen Druck bezüglich einer Sanierungswelle. «In den kommenden 10 bis 20 Jahren steht nur wenig an, da alle dringlichen Arbeiten schon erledigt sind», teilt Amtsleiter Ralf Bürki mit. Dazu gehört beispielsweise das Projekt Metzi­brücke. Die Metzibrücke wurde Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut und führt in Appenzell über die Sitter. Es handelt sich um eine historische Doppelbogenbrücke mit Wellenbrechern, die unter Denkmalschutz steht. 2023 haben umfassende Reno­vationsarbeiten stattgefunden, erstmals seit 70 Jahren. Während dieser langen Zeit haben verschiedene Umwelteinflüsse die Betonkonstruktion und den Sandstein stark beansprucht und den Mittelpfeiler unterspült. Im Zuge der Sanierung hat man die Befahrbarkeit verbessert und den Fahrbahnrand angepasst, zudem wurde die Strasse leicht verbreitert. Für den Belag gab es eine zeitgemässe Aufwertung: Die neue Betonplatte wurde mit einem Gussasphalt­system abgedichtet, die Deckschicht erhielt einen hellen Asphalt zur Akzentuierung. Damit soll mehr Aufmerksamkeit für kritische Querungen geschaffen werden.

«In den kommenden 10 bis 20 Jahren steht nur wenig an, da alle drin­g­lichen Arbeiten schon erledigt sind.»

Appenzell Ausserrhoden
Kontinuierliche Erfassung des Zustands

Auf dem Strassennetz des Kantons Appenzell Ausserrhoden werden rund 120 Brücken verzeichnet – Hangbrücken, Kragkonstruktionen sowie Unter- und Überführungen, wobei 100 zum Eigentum oder Miteigentum des Kantons gehören. «Neben zahl­reichen kleineren Unterhaltsarbeiten sanieren oder ersetzen wir zwei bis drei Objekte pro Jahr», berichtet Urs Kast, der die Abteilung Strassen- und Brückenbau leitet. Am wichtigsten ist laut Urs Kast der Ersatz der beiden Brücken zwischen Speicherschwendi und Rehetobel. «Sie haben das Ende ihrer Nutzungsdauer erreicht und genügen den Anforderungen an eine sichere Verkehrsinfrastruktur nicht mehr», erklärt er. Geplant ist, die beiden kleinen Bogenbrücken durch eine neue, 127 Meter lange Brücke zu ersetzen. Mit dem steigenden Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft wird auch im Kanton Appenzell Ausserrhoden viel in die Sanierung von Brücken investiert. Die Er­fassung eines bestehenden Tragwerks, die Überprüfung des Zustands und die Massnahmen­planung bilden die Basis. Trotz den anstehenden Arbeiten trifft der Begriff «Sanierungswelle» laut Urs Kast nicht auf den Kanton Appenzell Ausserrhoden zu, denn die notwendigen Massnahmen können mit den finanziellen Mitteln aus der Strassenrechnung umgesetzt werden.

«Der Aufwand bei der Projektierung von Sanierungen ist oft grösser, als wenn man von Grund auf neu baut.»

Kanton St.Gallen
Arbeiten im üblichen Umfang

Im St.Gallischen gibt es knapp 400 grössere Brücken, für die das kanto­nale Tiefbauamt verantwortlich ist. Rund 20 von ihnen müssen im Zeitraum von 2023 bis 2028 saniert werden. Im darauffolgenden Strassenbauprogramm, das von 2029 bis 2033 dauert, sind es noch deren 10. Das Total der Sanierungsarbeiten sowie der Um- und Ersatzbauten von Brücken beläuft sich auf kantonaler Ebene innerhalb der nächsten 20 Jahre auf etwa 50 Fälle. «Dies sind bis zu 13 Prozent unseres Bestands», teilt Oliver Bettschen mit, der als Leiter Kunstbauten beim kantonalen Tiefbauamt tätig ist. Am nötigsten seien Massnahmen bei der Brücke über die Bahngeleise in Sargans, die als «Jordan» bekannt ist – hier ist ein Ersatzbau vorgesehen. Laut Oliver Bettschen entsprechen die anstehenden Arbeiten in seinem Zuständigkeitsgebiet keiner auffälligen Sanierungswelle, sie seien einfach Teil des Unterhalts im üblichen Rhythmus. Finanziell äussert sich dies im Kanton St.Gallen folgendermassen: Jährlich sind 4,5 Millionen Franken für Unterhalt und Sanierung von Brücken budgetiert, weitere 15 bis 20 Millionen fliessen in neue Investitionen.

«Es gibt keine auffällige Sanierungswelle. Die anstehenden Arbeiten sind Teil des Unterhalts im üblichen Rhythmus.»

Kanton Thurgau
Kontinuierlich planen und ausführen

Das Tiefbauamt des Kantons Thurgau kümmert sich um über 650 Bauwerke entlang der Kantonsstrassen, davon 71 Brücken mit einer Spannweite von über 15 Metern. In den kommenden zwei Jahrzehnten sind Instandsetzungen an zwölf Gross­brücken erforderlich – dies sind jene, deren Gesamtlänge mehr als 50 Meter beträgt oder die eine Spannweite von über 25 Metern aufweisen. «Die übrigen Brücken werden erhalten oder teil­ersetzt», sagt Brückeningenieur Mario Töngi. Er ist beim kantonalen Tiefbauamt in der Abteilung Kunst­bauten tätig und erwähnt die Thurbrücke bei Pfyn als Beispiel mit besonderem Sanierungs­bedarf. Vor allem deren Enden und die Fahrbahnübergänge seien in schlechtem Zustand. Mario Töngi betont, dass alle Instandsetzungen von Kunstbauten und Strassen kontinuierlich geplant und ausgeführt werden, sodass keine eigentliche Sanierungswelle anstehe. «Unsere eingesetzten Mittel orientieren sich am Finanzhaushalt des Kantons Thurgau, bei den Baumassnamen wird der Schwerpunkt auf die Nachhaltigkeit gelegt», erklärt der Ingenieur. «Wir setzen auf Dauerhaftigkeit, Material- und Kosteneffi­zienz und auf die Verhältnismässigkeit von Projektan­forderungen. Dies gilt auch bei der Asphaltierung.»

«Wir setzen auf Dauerhaftigkeit, Material- und Kosteneffizienz. Auch bei der Asphaltierung.»

Weitere spannende Artikel rund um den Asphalt