Authentizität ist alles

In unserer neuen Serie «Family Business» fühlen wir Inhabern von Bauunternehmen den Puls. Den Auftakt macht Ueli Weber, Geschäftsführer und Delegierter des Verwaltungsrats der
E. Weber AG, Wattwil.

Interview: Sibylle Jung
Bilder: Daniel Ammann

der asphaltprofi trifft Ueli Weber in Wattwil, im schönen Heberlein Gebäude und Weber Firmensitz an der Ebnaterstrasse 79, dort, wo einst Garne gefärbt und Kunstseide hergestellt wurden. Das Gespräch wird knapp zwei Stunden dauern. Und in vier verschiedenen Räumen stattfinden. Der Mann, der einen empfängt, ist anders, als man sich einen typischen Baumenschen vorstellt. Das Gefühl beim Kennenlernen sagt, dass er sich nicht gut führen und auch nicht gern in die Karten schauen lässt. Beides wird er später selbst von sich behaupten. Trotzdem verrät er einiges.

Ueli Weber, viele (regionale) Bauunternehmen sind alteingesessene Familienunternehmen. Ihres ist eines davon. Wie kommt’s?
Das Wort Familie sagt bereits einiges – wir haben einen anderen Background, eine andere Verantwortung. Damit verbunden ist oft eine spezifische Philosophie, die aktiv gelebt wird. Bei uns sind das: beste Qualität zu fairen Preisen auf der Kundenseite, eine gute Firmenkultur auf Mitarbeiterseite. Unternehmertum verstehen wir nicht als Gang ins Casino. Vielmehr bedeutet es soziale Verantwortung. Bei uns sind die Leute deshalb keine Nummern, sondern Persönlichkeiten. Wir möchten einer der besten Arbeitgeber der Region sein. Dass viele Mitarbeitende seit Generationen in unserem Unternehmen wirken, zeigt, dass solche Werte geschätzt werden. Weiter bin ich überzeugt, dass inhabergeführte Unternehmen eine andere Bodenhaftung haben, authentischer sind. Das gibt Sicherheit. Und schafft Vertrauen, über Jahre oder – um bei «Alteingesessen» zu bleiben – Jahrzehnte.

Ueli Weber ist gelernter Maurer und studierter Bauingenieur. Für die Lehre hat er sich «en passant» entschieden. Man habe damals mehr gehandelt als viel nachgedacht. Er habe für die Musik gelebt. Und tut es immer noch. Mit der (Hardrock-)Band, die er 1978 gründete, tritt er auch heute noch auf. Ueli Weber ist Hobby-Historiker, liest viel und schreibt auch (als Co-Autor), liebt Gesellschaft und authentische Städte, ebensolches Essen, guten Wein, reifen Whisky, ausgedehnte Spaziergänge. Neben seinen strategischen und operativen Funktionen im Unternehmen engagiert er sich in verschiedenen Gremien. So präsidiert er etwa seit 20 Jahren den Verwaltungsrat der Clientis Bank Toggenburg und ist Präsident des kantonalen Baumeisterverbands. Er trägt und übernimmt gern Verantwortung und ist sich dessen bewusst.

Was treibt Sie im Alltag an?
Motivation – oder anders gesagt: Man sollte überzeugt sein, was man im Leben will. Mir ist wichtig, dass es allen gut geht; da gehöre ich selbst auch dazu. Ich möchte gute Beziehungen führen – privat und geschäftlich –, gute Qualität und ein gutes Umfeld bieten. Die Menschen sollen sich wohlfühlen, sich entfalten können und ihre Talente leben. Basis ist ein langfristiges Denken, woraus ebensolche Beziehungen entstehen können. Das funktioniert nur mit Menschen, die man mag. Im Alltag spielen Diplomatie und Führungskultur eine entscheidende Rolle. Zeit haben, sich Zeit nehmen ist ein anderer Aspekt. Viel davon hat mit Respekt zu tun. Wer anderen positiv begegnen will, braucht Offenheit, Authentizität. Und – als Führungskraft – auch Verschwiegenheit. Einer meiner Grundsätze: Ich möchte mich so verhalten, dass ich es möglichst gut mache. Dazu gehört zum Beispiel auch, Junge zu fördern.

Danke fürs Stichwort. Wie schaut es mit der Nachfolge aus? Steht die nächste Generation bereits in den Startlöchern?
Die Nachfolge ist ein wichtiges und auch sehr aktuelles Thema bei uns. Als ich kürzlich mit meiner 15-jährigen Tochter spazieren war, hat sie gesagt: «Mein Bruder und ich übernehmen das miteinander.» Tatsächlich ist es unser erklärtes Ziel, dass das Geschäft in der Familie bleibt. Ob meine Kinder einsteigen, wird sich zeigen. Ich würde sie zu nichts drängen. Was ich mache, ist ein gutes Leben vorleben. Vielleicht erhöht das die Chance, dass sie es dereinst machen (lacht). Einen Nachfolgeprozess haben wir letztes Jahr angestossen: Das Kader soll die operative Leitung übernehmen; ich werde mich auf strategischere Aufgaben und Schlüsselprojekte konzentrieren.

Sie sind bekennender Kulturmensch. Wie erleben Sie Kultur in der Bauwelt?
Ich bin direkt: Viele Baumenschen sind manchmal rüplig und Nomaden. Dabei hat das, was wir im Alltag machen, mit Kulturgeschichte zu tun. Mich stört es, dass dieser Aspekt in der Branche zu wenig gelebt wird; es tut mir weh. Hier gibt’s nach wie vor viel Nachholbedarf.

Was denken Sie, wie werden Sie von aussen wahrgenommen?
Als Macho? (lacht)

Und, sind Sie’s?
Ich weiss es nicht … Wahrscheinlich bin ich unkonventionell. Ich fliege auch lieber unter Radar, als mich in Hochglanzmagazinen abbilden zu lassen. Dafür bin ich viel zu freiheitsliebend und lass mir auch nicht gern in die Karten schauen. Und wenn Sie mich gleich danach fragen, wie gut ich führbar bin: Ich bin’s wohl nicht, aber ich bin gern Unternehmer.

Ueli Webers erklärtes Ziel: «Das Geschäft soll in der Familie bleiben.»

Den Grundstein für die heutige E. Weber AG legte Bauführer Ernst Weber, Grossvater von Ueli Weber, als er in den 1920er-Jahren in Wattwil zwei Liegenschaften erwarb und darin zwei Geschäfte eröffnete: 1919 den Gemischtwarenladen Wepa, 1923 das Kaufhaus für Konfektion (heute Mode Weber). In den 30er-Jahren, während der Krise, musste er sich zwischen seinem Amt als Bauführer beim Kanton und seinen Geschäften entscheiden. Er entschied sich für Letztere und gründete 1938, als gute Startbedingungen für seine Buben, ergänzend dazu ein Tiefbaugeschäft. Ernst Weber wurde von Weggefährten als kraftvolle, imposante Persönlichkeit mit sympathischem, grosszügigem Wesen beschrieben. Etwas, das er seinem Sohn Ernst wie auch seinem Enkel Ueli weitervererbt hat. Heute ist die E. Weber AG mit ihren Tochterunternehmen spezialisiert auf Strassenbau, Hoch- und Tiefbau, hat eine eigene Immobilienabteilung und beschäftigt rund 200 Mitarbeitende, davon rund 20 Lernende.

Was möchten Sie im Bauunternehmeralltag noch erreichen? Welche Themen beschäftigen Sie?
Die Wiederverwendung von Materialien ist ein grosses Thema. Ein zweites, dass wir vermehrt wieder auf regionale und Schweizer Produkte setzen, auch wenn sie im ersten Moment teurer erscheinen. Auf die Lebensdauer gesehen ist der Preisunterschied kein Thema. Ich möchte Bauherren, das Team und auch Branchenmitglieder diesbezüglich gern vermehrt sensibilisieren.

Ueli Weber, Sie haben den Auftakt zu unserer neuen Serie gemacht. Wen sollen wir als Nächstes befragen?
Alexander Morant.

Und welche Frage haben Sie an ihn?
Alex, wie wohl fühlst du dich als junger Morant im Familienunternehmen?

Herzlichen Dank für das Gespräch.