Family Business

«Auf den Lorbeeren ausruhen? – für mich keine Option»

In unserer Serie «Family Business» fühlen wir Inhabern von Bauunternehmen den Puls. Der Interviewte bestimmt jeweils seinen Nachfolger und stellt auch gleich die erste Frage. In dieser Ausgabe befragen wir Oliver Wellauer. Er wurde von Alexander Morant ausgewählt.

Wellauer baut, bewegt, transportiert. Das mittelgrosse Bauunternehmen mit Sitz in Frauenfeld ist in den drei Bereichen Strassenbau, allgemeiner Tiefbau sowie Spezialtiefbau tätig, betreibt ein eigenes Kieswerk und führt Transporte aus. Gegründet wurde es 1911 von Jakob Wellauer. Heute wird es in 4. Generation von Oliver Wellauer geleitet. Er ist Chef von 63 Mitarbeitenden, für die er gerne ein offenes Ohr hat.

Zurückhaltend und aufgeräumt. So nimmt man die H. Wellauer AG wahr, wenn man ihren Webauftritt anschaut. der asphaltprofi wollte herausfinden, ob sich der Eindruck im Gespräch mit dem Geschäftsleiter Oliver Wellauer bestätigt. Nach einem stündigen Gespräch würden wir die beiden Adjektive um das Attribut bescheiden ergänzen und spüren trotz allem oder gerade deshalb einen unternehmerischen Drive, in dem die Kraft des Fortschritts steckt.

Oliver Wellauer, wir starten mit der Frage von Alexander Morant: «Wann hast du zum letzten Mal einen über den Durst getrunken?»

Da stellt sich die Frage, wie man «über den Durst trinken» definiert … (schmunzelt). Ich möchte nicht ins Detail gehen. Was ich jedoch sagen kann, ist, dass es vor Corona war, in der Zeit, als man noch grössere Feste feiern durfte, und dass es in Davos war.

Wechseln wir vom privaten Oliver Wellauer zum geschäftlichen. Was zeichnet Sie als Unternehmer aus?

(denkt länger nach). Ich bin offen für Neues, neugierig, neue Wege zu gehen, und bereit, etwas zu riskieren. Gleichzeitig bin ich konservativ-vorsichtig und denke langfristig. Wir versuchen im Unternehmen, immer respektvoll mit den Menschen zu sein und nehmen unsere Verantwortung als verlässlicher Arbeitgeber wahr. Im Fokus steht bei allem immer die Weiterentwicklung des Unternehmens.

Woran spürt man das im Alltag?

Grundsätzlich probieren wir, alles familiär zu halten – wir haben flache Hierarchien; man kennt sich persönlich. Das ist mir wichtig. Ebenfalls wichtig ist mir das langfristige Denken. Wir streben nachhaltiges Wirtschaften an und keine kurzfristige Gewinnmaximierung. Meine Devise ist: Wenn Wachstum, dann ein gesundes Wachstum.

2016 haben Sie die Geschäftsleitung von Ihrem Vater übernommen. Wie frei sind Sie? Oder anders gefragt: Wo funkt er Ihnen (noch) rein?

Generell ist es harmonisch zwischen uns. Mit der Abgabe der Geschäftsführung hat mein Vater sein Pensum auf 15 Prozent reduziert, und er konzentriert sich vermehrt auf die Kieswerke und die Beteiligungen, die strategischer sind. Ich kümmere mich um das Tagesgeschäft und den Baubereich. Diese Aufteilung macht Sinn. Und beide machen, was sie gut können.

Sie haben an der ETH Bauingenieurwesen studiert. War dieser Berufswunsch immer klar?

Gar nicht. Ehrlich gesagt war ich froh, konnte ich das Gymnasium machen. Ich hätte mich mit 16 noch für keinen Beruf entscheiden können. Ein Berufsfragebogen, den ich später machte, zeigte jedoch deutlich, dass ich mich in eine technische Richtung entwickeln werde: Informatik oder Bauingenieurwesen waren die Schwerpunkte. Ich habe mir beides seriös angeschaut. Das Bauen interessiert mich dann doch mehr.

Oliver Wellauer, *1979, studierte an der ETH Zürich Bauingenieurwesen, sammelte anschliessend in einem Zürcher Bauingenieurbüro, für das er auch in den USA war, Erfahrungen, bevor er Anfang Februar 2009 in das Familienunternehmen einstieg. Er engagiert sich unter anderem als Vorstandsmitglied bei InfraSuisse und dem Thurgauer Kiesverband. Privat dreht sich seit Herbst 2021 alles um seine kleine Tochter. Wenn es die Zeit zulässt, ist Oliver Wellauer sportlich unterwegs: im Winter auf der Piste, im Sommer auf dem Golfplatz und im Herbst wandert er in den Bergen.

Was am Bau interessiert Sie?

Mit gefällt das Ganzheitliche und Vielfältige. Am Anfang ist eine Idee. Diese wird übersetzt in eine Berechnung, die das Verständnis für das Endresultat voraussetzt. Und dann wird etwas realisiert. Sprich: Es entsteht etwas – und zwar nicht nur auf dem Papier. Das finde ich spannend.

Gab es diesen einen Moment, als Sie wussten, ja ich möchte in den familiären Betrieb einsteigen?  

Den gab es, ja. Er war im Sommer 2008. Ich war zurück aus den USA, arbeitete in einem Zürcher Ingenieurbüro, als mein Vater konkret fragte: Wie siehst du es? Ist Interesse da? Der Zeitpunkt, die Nachfolgeregelung jetzt anzugehen wäre ideal. Für mich war es ein klares Ja.

Was reizte Sie?

Es sind der Stolz und die Möglichkeit, ein Unternehmen weiterführen zu können, das es bereits 111 Jahre gibt. Ausserdem wollte ich neben der eher theoretischen Arbeit, die ich bis dahin machte, in die Ausführung gehen – vom Ingenieur auf die Unternehmerseite wechseln. Beides war bei uns im Unternehmen gegeben.  

Sie leiten das Unternehmen in der vierten Generation. Was haben Sie von Ihren Vorgängern gelernt?

Eine gewisse Ruhe und Gelassenheit. Klar ärgern einen Dinge, die nicht funktionieren oder anders laufen, als man sich das vorgestellt hat. Von meinem Vater habe ich gelernt, vorwärtszuschauen, konstruktiv neue Lösungen zu finden, und von ihm kommt die Bestätigung, dass es funktioniert. Mehr Gelassenheit habe ich übrigens auch beim Golf gelernt. Gerade zu Beginn war ich ungeduldig und regte mich viel zu oft auf. Bis ich realisierte, dass ich nur gegen mich selbst spiele. Ruhig Blut bewahren hilft – auch im Geschäft.

Was bringt Sie auf die Palme?

Kurze Offertfristen … Gerade im Umgang mit Ämtern gibt es ein gewisses Missverhältnis. Wir warten teilweise sehr lange, bis ein Entscheid steht. Auf der anderen Seite werden Rückmeldungen von uns innert Wochenfrist verlangt. Etwas anderes, das mich stört, ist, wenn man einen Haufen Papier produziert, ohne dass etwas Konkretes rausschaut.

Das Unternehmen Wellauer ist gut unterwegs. Denken Sie bereits ans Zurücklehnen?

Das wäre ein bisschen sehr bequem … Und das ist auch nicht mein Ansporn. Ich habe den Ehrgeiz, etwas zu erreichen. Ich schaue auf meine Vorgänger zurück und sehe, was sie erreicht haben. So wie ich das heute mache, machen das vielleicht auch die Generationen in der Zukunft. Entsprechend will ich etwas Gutes zurücklassen. Mich auf den Lorbeeren auszuruhen, ist für mich keine Option. Mich zieht es Richtung Zukunft. Und auf dem Weg dorthin möchte ich noch einiges bewirken.

Wer soll als Nächstes interviewt werden?

Jürg Dietsche.

Und welche Frage haben Sie an ihn?

Wo siehst du dich mit 66?

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