Grosse Distanzen zurückzulegen ist gleichsam die zweite Natur von Fernfahrerinnen und Fernfahrern. In 48 Stunden können das schon einmal 1456 Kilometer sein. Etwa dann, wenn es von der Schweiz aus nach Antwerpen und zurück geht. der asphaltprofi begleitet den Fernfahrer Reto Hauswirth auf dieser Strecke im Fotoprotokoll.
Reto Hauswirth, wir begleiten dich während 48 Stunden auf deiner Fahrt durch Europa. Der Start ist frühmorgens in Konstanz. Weshalb?
Wir machen das, um das Nachtfahrverbot, das in der Schweiz gilt, zu umgehen. Meiner Meinung nach ist ein solches Verbot wenig sinnvoll. Der Verkehr würde entlastet, wenn die Last- wagen in der Nacht fahren dürften. Und wir wären jeweils schneller am Ziel.
Wie steht es um die Infrastruktur für Lastwagen in der Schweiz?
Es hat viel zu wenig Standplätze – und nur wenige sind mit einer Dusche aus- gestattet. Das ist allerdings auch im Ausland so. Oft parkiere ich deshalb auf sogenannten Autohöfen und bezahle eine Gebühr für die Übernachtung.
An einer vielbefahrenen Strasse zu übernachten, stellen wir uns nicht sehr angenehm vor. Wie geht es dir dabei?
Mir spielt es keine Rolle. Bei uns in der Schweiz ist es nicht gefährlich. In Südfrankreich muss man schauen, dass einem in der Nacht nicht der Diesel aus dem Tank gestohlen wird. Deshalb tanke ich, wenn ich dort unterwegs bin, jeweils erst am Morgen. Kein Witz.
Man sagt, dass man gut isst, wenn vor einer Beiz viele Lkw stehen. Stimmt das so?
Ja, grundsätzlich ist das richtig. Allerdings gibt es immer weniger Routiers-Beizen. Den ost- und südeuropäischen Fahrern fehlt meistens das Geld, um auswärts essen zu können, und den Routiers fehlen die Gäste. Ich selbst esse gern in Restaurants.
Du hast allerdings auch Proviant dabei. Was genau?
Ich nehme jeweils Obst, Käse und Snacks für ein paar Tage mit. Mit dabei ist auch ein Gaskocher, auf dem ich zum Beispiel Rösti oder Ravioli machen kann, wenn es keine Einkaufsmöglich- keit gibt.
Lastwagenfahrer haben – wie fast jede Berufsgattung – ein eigenes Image. Wie nimmst du das wahr?
Das Image ist grottenschlecht. Viele Menschen haben ungepflegte, ketten- rauchende Männer mit dicken Bäuchen vor Augen, wenn sie an Lkw-Fahrer denken. Viele Lastwagenfahrerinnen und -fahrer sind jedoch fit und sportlich; ich jedenfalls zähle mich dazu.
Was ist geblieben vom Trucker und der grossen Freiheit?
Das grosse Freiheitsgefühl gibts nicht mehr. Gründe sind der Termindruck und die Staus.
Brücke oder Tunnel? Ohne Zweifel: Brücke.
Landstrasse oder Autobahn? Immer die Landstrasse, wenn es die Zeit zulässt.
Karte oder Navi? Karte. Ich fahre praktisch nie nach Navi und kaufe mir von jedem Land, in das ich fahre, eine Karte. Das Navi brauche ich nur zum Finden der Adresse auf dem letzten Kilometer.
Hotel oder Lkw-Kabine? Lkw-Kabine. Ich bin jedoch auch schon ins Hotel gegangen, zum Beispiel in Prag.
Osten oder Westen? Der Osten ist abenteuerlicher.
Allein oder mit Beifahrer? Eher allein. Gern nehme ich auch mal jemanden mit. Ich bin aber auch froh, wenn die Person wieder weg ist. 🙂
Wie empfindest du die Schweizer Strassen im Vergleich zu anderen?
In der Schweiz sind wir in Sachen Qualität der Strassen verwöhnt. Holland ist auch auf tollem Niveau, dort gibt es tagsüber nie Baustellen auf der Autobahn; sie arbeiten nur nachts. Belgische Autobahnen hingegen sind mit vielen Spurrinnen und Schlaglöchern eher schlecht. Übel ist die Situation zum Teil in Osteuropa. In Rumänien hat man
vor lauter Schlaglöchern das Gefühl, das Fahrzeug falle auseinander. In Tschechien sind die EU-finanzierten Autobah- nen piekfein, die Landstrassen jedoch das Gegenteil davon.
Hast du eine Lieblingsstrasse?
Einmal war ich in den schottischen Highlands unterwegs – und liebte es, trotz der schlechten Strassen. Kulissenmässig wars einfach der Hammer.
Was wünschst du dir als Lkw-Fahrer?
Mehr Toleranz von Leuten in Personenwagen und mehr Stellplätze.
Was ärgert dich an anderen Lastwagenfahrern?
Wenn sie ungepflegt daherkommen. Oder unsicher fahren, wie einige Kollegen aus Osteuropa, die schlecht ausgebildet sind und sich nicht auskennen.
Wann wurdest du angesteckt mit dem Lkw-Fieber?
Als Kind war ich in den Ferien oft mit einem Bekannten der Eltern im Lastwagen mit auf grosser Tour. Das gefiel mir super, und ich wusste: Ich will Fernfahrer werden. Die Ausbildung zum Lastwagenmechaniker bildete dann den Startpunkt.
Was ist das Schönste am Lastwagenfahren?
Das Unterwegssein. Immer neue Leute treffen, Stimmungen und Landschaften erleben. Und ein wenig sein eigener Chef sein.
Guete Morge. Jetzt starten wir mit den 48 Stunden. Ich befinde mich in Konstanz gleich ennet der Grenze zur Schweiz auf einem grossen Lastwagenparkplatz in einem Industriegebiet. Hier habe ich parkiert, damit ich sehr früh abfahren kann. In der Schweiz dürften wir wegen des Nachtfahrverbots erst später starten. Ich war bereits um 2.30 Uhr auf dem Platz, füllte meinen «Hausrat» auf, die Kleider, den Proviant für die Woche, Arbeitskleider. Alles, was man halt so braucht. Dann führte ich eine Rundumkontrolle durch. Weil die Temperaturen um die null Grad sind, gehörte leider auch dazu, das Dach des Anhängerzugs auf Eis zu prüfen. Es hatte Eis, und ich schaufelte es runter, damit es unterwegs nicht runterfällt und andere Verkehrsteilnehmer gefährdet. Jetzt fahre ich mit zwei grossen Maschinenteilen los. Ziel ist der Hafen von Antwerpen. Dort werden die Maschinenteile nach Amerika verschifft.
Leere Strassen im Schwarzwald.
Nun habe ich die Grenze von Deutschland nach Frankreich passiert. Wir Lastwagenfahrer müssen jeden Grenzübertritt auf dem Fahrtenschreiber dokumentieren.
Ich lege die vorgeschriebene 45-minütige Lenkzeitpause ein. Länger als vier bis fünf Stunden am Stück zu fahren, ist nicht erlaubt. Ich stehe auf einem Autobahnparkplatz bei Metz in Frankreich. Hier gibt es 20 Lkw-Parkplätze und ein Toilettenhäuschen. Leider kein Café, wo man sich gemütlich reinsetzen könnte.
Für solche Parkplätze bin ich mittlerweile bestens ausgerüstet – mit einer Nespresso-Kaffeemaschine im Lkw. Denn was wäre eine 45-minütige Pause ohne Kaffee?
Ich bin in Luxemburg und lege einen Tankstopp ein. Weil Luxemburg bekannt ist für seine günstigen Treibstoffpreise, reiht sich am Strassenrand Tankstelle an Tankstelle. Nun geht es weiter.
Erster Tag geschafft.
Ankunft in Antwerpen.
Zähne putzen, Gesicht waschen, mich frisch machen. Der Wasserkanister ist in der Führerkabine eingebaut.
Vor der Abfahrt gibts erst einmal gemütlich einen Kaffee im Restaurant.
Los gehts. Die Zeit reicht für rund 220 Kilometer von Antwerpen ins holländische Enschede. Dort kann ich ab 8 Uhr laden.
Gut angekommen. Herzlicher Empfang an der Ladestelle. Auf- laden einer Filteranlage für eine Brauerei. Wert: über 200’000 Franken. Teure Fracht. Nach dem Laden gibts mit dem Verladepersonal noch einen netten Smalltalk bei einer Tasse Kaffee, bevor es wieder auf den Heim- weg Richtung Basel geht.
Stau auf der A3 bei Köln, auch das gehört dazu. Der Stau kostet mich eine halbe Stunde. Ihn
zu umfahren, macht in einem Bal- lungszentrum wie Köln keinen Sinn. Alle Strassen sind verstopft.
Schöne Aussicht auf den Rhein bei Köln. Immer dabei: die Kaffeemaschine für
Pausen, wenns kein Café hat.
Erste Pause. Um 13.50 Uhr fahre ich weiter nach Achern, südlich von Karlsruhe, zu einem Rasthof, den ich für seine sauberen Duschen und sein gutes Essen schätze.
Ankunft. Nach 762 gefahrenen Kilometern sind die zehn Stunden Fahrzeit ausgereizt. Ich treffe zufällig einen Schweizer Kollegen. Toll, wenn man sich bei einem Feierabendbier und beim Abendessen unterhalten kann, anstatt allein dazusitzen.
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